Die Yoga-Kriegerin
Pferde sprachen einen Teil von mir an, der niemals zuvor berührt oder genährt worden war.
Zur gleichen Zeit, als ich anfing, eine Verbundenheit mit den Pferden zu entwickeln, beinahe eine Art Liebe, gab es auch diese Momente der Abscheu und des Schamgefühls. Etwas Hässliches begann in mir zu brodeln. Manchmal, wenn sie mich traten oder bissen – an sich nichts Ungewöhnliches –, verwandelte ich mich wie meine Mutter in ein Monster, das die Pferde öfter trat oder schlug. Es war, als ob ich von der irrwitzigen Vorstellung von Rechtschaffenheit mei ner Mutter und ihrer Brutalität infiziert worden wäre.
Es war nur ein weiteres Zeichen, wie gebrochen ich mich fühlte. Hier stand ich also, war dabei, ein Gefühl der Offenheit zu entde cken, etwas jenseits des Schmerzes und der Abstumpfung, doch mein neugieriges Entzücken war sofort mit Schamgefühl behaftet, sobald ich diese verrückten Wutanfälle hatte. Warum tat ich das? Würde ich wie meine Mutter werden? Und wie würde ich mich da- von abbringen können?
Der Weg aus meinem Schmerz, oder einem Teil davon, bahnte sich an durch die Herausforderung einer Person, die ich kaum kannte. Als ich dreizehn war, kam ein Mädchen namens Robin Smith in der Schule auf mich zu. »Ich kann etwas, was du nicht kannst«, sagte sie mir.
Robin war ein kleines Mädchen, leise sprechend, sehr blass und etwas übergewichtig. Mittlerweile war ich eine ziemlich zähe Ju gendliche, abgehärtet durch die ganze Arbeit im Stall, fühlte ich mich ziemlich stark. Ich musterte sie scharf und dachte: Ja klar, sicher . Ich holte meine Zigaretten heraus, nahm eine und klopfte sie auf meinen Handrücken, entzündete sie auf meine beste Cool-Kid-Tour in der hohlen Hand und kläffte sie an: »Aha. Und was soll das sein?«
»Yoga. Willst du mal mitkommen?«
Bis heute weiß ich nicht, was dieses Mädchen dazu veranlasst hatte, mich anzusprechen und mir diese Herausforderung zu stellen; wir kannten uns kaum. Ich glaube, es war ein Wink dessen, was die Ureinwohner Nordamerikas die Sacred Ones , die Schutzgeister , nennen. Robin nahm mich also in meine erste Yogastunde mit. Ich war völlig schockiert. Da waren all diese uralten Damen – sie waren wahrscheinlich alle so um die dreißig –, beugten sich vornüber und fassten an ihre Zehen oder rollten auf ihren Bauch in den Bogen mit würdevoll gebogenem Rücken, während sie ihre Fußgelenke fest hielten. Das waren gewöhnliche Leute, keine Zirkusartisten, die sich fließend in diese wunderschönen Positionen hinein- und wieder he rausbewegten. Das Einzige, was ich schaffte, war, mich nach vorne zu beugen und hinter meine Knie zu greifen.
Ich fing an, regelmäßig zur Yogastunde zu gehen. Robin stieg aus, aber ich war total begeistert. Shirley Pepping, meine erste Lehrerin, war erstaunlich begabt. Da war also diese Mutter mit einem schönen Körper, roten Haaren, kobaltblauen Augen – und ich fragte mich: Wie kann sie so aussehen und doch so alt sein? Sie warf meine Vorstellung, die ich von einer Mutter hatte, total über den Haufen. Eine Mutter konnte also mehr sein als nur eine, die Kinder gebärt und dann fürchterlich fett wird, während sie sich darüber beschwert, dass ihre Nachkommenschaft sie wie Parasiten aussaugt. Shirley war meine Rettung und formte für mich ein neues Bild des Frauseins.
Die Yogapositionen waren schmerzhaft, und ich war miserabel, aber ich machte weiter – das Leben war sowieso schmerzvoll, also was soll‘s? Der einzige Teil, den ich wirklich nicht ausstehen konnte, war das Ende der Stunde, als Shirley uns durch Savasana oder die Totenstellung führte. Du möchtest, dass ich mich hinlege und mit einem Haufen fremder Menschen entspanne? Sicher nicht! Wann immer ich das auch tat, so mit ungeschütztem Bauch, fühlte ich mich geradezu unerträglich verwundbar. Als Shirley eine geführte Reise mit uns machte – »Jetzt treiben wir einen Fluss abwärts … jetzt reiten wir auf einer Wolke« –, konnte ich mich gerade noch davon zurückhalten, aufzuspringen und »Ach leck mich!” zu schreien. Es fühlte sich alles auf unangenehme Weise so vertraut an, zu sehr wie eine Gehirnwäsche. Es dauerte Jahre, bis ich mich hinlegen und entspannen konnte; Jahre, bevor ich verstand, warum ich in dieser liegenden Position so verletzlich war.
Langsam verbesserte sich mein Yoga. Eines Tages wachte ich auf und bemerkte, dass etwas fehlte: meine Schmerzen in den Beinen und im Rücken. Und während ich mit dem emotionalen
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