Die Yoga-Kriegerin
wollte. Aber niemand würde Span nehmen; sie war Schrott, wie ich auch.
Span brachte mir sogar noch mehr über Beziehungen bei. Ich dachte mir, vielleicht würde sie mich mögen, wenn ich sie mögen würde. Zuerst, als ich Span zu striegeln anfing, ihr Karotten gab und ihr Medizin auf die Beine strich, war sie ein ziemlich geknicktes Ding – sie war kurz davor, zu Hundefutter verarbeitet zu werden. (Die anderen Kids nannten sie Spam , wie das Dosenfleisch). Sie hatte diesen toten Blick in den Augen; mit ihr abzuhängen war, als würde man mit einer stinkenden Statue voller wunder Stellen spielen. Dann kam ganz langsam das Leuchten in ihre Augen zurück. Eines Tages striegelte ich sie, als sie sich mir zuwandte und mich sanft mit ihrer Nase anstupste, als ob sie sagen wollte: Hey, ich habe bemerkt, dass du da bist . Ich konnte es damals noch nicht in Worte fassen, aber ich spürte, dass ich ihren Spirit zurückbrachte. Vielleicht würde das auch mit mir passieren können. Ich hatte Angst, mich um Span zu kümmern, denn ich war mir sicher, dass man sie mir wegnehmen würde, aber ich fing trotzdem damit an.
Ich habe das Gefühl, dass das von Anfang an Nicks Plan war. Er war einer der ersten Menschen, der mich überhaupt mit irgendeiner Art von Interesse oder Zuneigung bedachte. Ich balgte mich mit den älteren Kids, und wenn ich mich umdrehte, sah ich, wie er mich schweigend beobachtete. Er sah, dass ich lernen musste, wie man für jemanden sorgt, also überließ er mir diese alte Mähre. Und so begannen sowohl das Kind als auch das Pferd zu heilen. Wenn es dieses Band der Zuneigung gibt, entwickelt sich noch etwas anderes im Vierbeiner und im Zweibeiner. Alle von uns Gehilfen hatten unsere wunden Punkte. Uns um unsere Lieblingstiere zu kümmern war Bal sam für die Seele. Es linderte unsere Wunden. Es ließ auch etwas in uns wachsen, schenkte uns einen Ort der Zuneigung und Berüh rung – Dinge, die eigentlich Teil unserer Lebenserfahrung hätten sein sollen, es aber nie waren. Vielleicht hasste ich Harry deswegen. Jemand hatte ihn verhätschelt. Jemand hatte sich um ihn gekümmert. Dass ich mich um Span kümmerte, ließ in mir etwas wachsen, für das es zuvor keine entsprechende Umgebung gegeben hatte.
Die Azusa Canyon Stables waren über all die Jahre ein wahrer Zufluchtsort für mich geworden, manchmal buchstäblich das einzige Dach über meinem Kopf, der Ort, wo ich gelernt hatte, Pferde zu trainieren und mich um sie zu kümmern, das Labor für mein Stu dium von Beziehungen. Dann stürzte eine Reihe von kleineren Katas trophen auf uns ein – schlimme Brände und schwere Regenfälle vertrieben nach und nach die meisten unserer Kunden in andere Ställe. Schritt für Schritt starb unser Zufluchtsort. Eines Tages dann überschwemmte eine gewaltige Flut den gesamten Canyon einschließlich der Ställe und vergrub sie unter dem Schlamm, der von den nahe gelegenen kahlen, versengten Bergen heruntergespült wurde.
In einem einzigen Augenblick war der Ort, an dem ich mich selbst zum Leben zu erwecken begonnen hatte, vollkommen zerstört. Alle Straßen wurden weggespült, die Ställe versanken im Schlamm. Ich stand in einer Schlammmasse mit matschigen Felsbrocken und beobachtete Helikopter, wie sie Heuballen für die Pferde abwarfen, die auf der anderen Seite des tobenden, anschwellenden Flusses gefan gen waren. Ich spürte, wie der winzige Schimmer an Lebendigkeit, der in mir gewachsen war, immer trüber wurde. Old Harry, ein älterer Mann, der in der Nachbarschaft lebte, war im Schlamm erstickt; ich hörte, dass er sich geweigert hatte, sich evakuieren zu lassen, als man die Leute zu retten versuchte. Vielleicht hatte er entschieden, dass es nichts mehr gab, wofür es sich zu leben lohnte. Ich weiß nicht, ob Span es geschafft hat. Es gab nur einen Grund, der mich davon abhielt, mich völlig aufzugeben, so wie Old Harry: Ich hatte eine Schecke namens Caprice, die in diesen Ställen gefangen war. Sie war das erste Pferd, das ich jemals wirklich besaß. Ich sagte mir, wenn ich nur auf ihren Rücken gelangen könnte, würde mir nichts mehr passieren. Und so kam ich auf die verrückte Idee, mein Pferd zu retten.
Ich durchwatete den Fluss und tauchte zerschrammt und mitgenommen am anderen Ufer auf, um mich zur Sattelkammer durch zukämpfen. Alles war vom Schlamm und Wasser zerstört worden, es war unbrauchbar. Ich schnappte ein altes, gerissenes Zaumzeug und ritt Caprice ohne Sattel. Ich trieb sie in die Strömung. Es
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