Die Zaehmung
nicht sein Leben und das seiner Brüder riskiert hat, um mich hier herauszuholen.«
»Da er nur noch einen Bruder hat, kann ich sein Zaudern gut verstehen«, erwiderte Jeanne im sarkastischen Ton.
»Bei einem Angriff gegen die Howards würde Zared bestimmt an der Seite der Ritter fechten.«
Jeanne warf ihr einen scharfen Blick zu. »Das bezweifle ich. Selbst die Peregrines haben Prinzipien.« Sie schwieg einen Moment. »Oder hat Euch keiner gesagt, daß Zared ein Mädchen ist? Ziehen sie Zared noch immer Männerkleider an?«
Lianas Lider zuckten ein paarmal auf und nieder. »Ein Mädchen? Zared ist ein Mädchen ?« Sie dachte an den Moment, wo Zared den Kopf einer Ratte mit seiner — ihrer — Faust zerschmettert hatte. Und an Zared mitten in der Nacht in ihrem Zimmer. Lianas Augen weiteten sich. Dann erinnerte sie sich daran, wie wütend sie gewesen war, weil sie Zared mit drei Frauen im Bett erwischt hatte. Wie sehr Severn und Rogan gelacht hatten über ihre Empörung!
»Nein«, sagte Liana durch die zusammengepreßten Zähne. »Niemand machte sich die Mühe, mich aufzuklären, daß Zared ein Mädchen ist.«
»Sie war erst fünf, als ich dort wohnte, und ich glaube, es war den Brüdern peinlich, daß ihr Vater ein weibliches Wesen gezeugt hatte. Sie gaben seiner furchtsamen, dauernd klagenden, aber reichen vierten Frau die Schuld dafür. Ich versuchte Zared eine Mutter zu sein. Das war ein Fehler; sie ist genauso wild wie ihre Brüder.«
»Und ich bin eine noch viel größere Närrin, weil ich das nicht einmal geahnt habe«, sagte Liana. Und sie hielten es nicht für nötig, mich eines Besseren zu belehren, dachte sie. Sie hatten sie aus ihrem Leben herausgehalten. Sie war niemals eine Peregrine gewesen, und nun wollten sie sie nicht mehr zurückhaben.
Sie blickte Jeanne an. »Es kam keine Antwort von den Peregrines, seit sie meine . . . meine Haare erhalten haben?«
Jeanne runzelte die Stirn. »Rogan und Severn sind zusammen auf der Falkenjagd gesehen worden . . . und bei einem gemeinsamen Besäufnis.«
»Beim Feiern, meint Ihr wohl. Ich dachte . . .« Sie wollte nicht sagen, was sie dachte. Sie hatte geglaubt, wenn man sie schon nicht liebte, daß sie den beiden doch bis zu einem gewissen Grad unentbehrlich geworden sei. Sie dachte daran, daß Severn sie mit Rogan in einem Raum eingesperrt hatte, weil Severn die Dienste vermißte, die sie der ganzen Burg erwiesen hatte.
Jeanne nahm Lianas Hand und drückte sie. »Es sind Peregrines. Sie sind so gar nicht mit anderen Männern zu vergleichen. Sie haben nur für ihr eigenes Fleisch und Blut etwas übrig. Für sie sind Frauen ein Mittel zur Geldbeschaffung und sonst nichts. Ich möchte ja nicht grausam sein, aber Ihr müßt Euch das vor Augen halten: Die Peregrines haben nun Euer Geld. Welche Verwendung sollten sie nun noch für Euch haben? Wie ich hörte, habt Ihr versucht, deren Burg sauberzuhalten und ihnen besseres Essen auf den Tisch zu bringen; aber diese Männer schätzen solche Bemühungen gering. Der Regen der letzten Woche hat ihren Burggraben wieder zur Hälfte gefüllt, und wie ich hörte, schwimmen bereits wieder drei tote Pferde darin.«
Jeanne wußte, daß Jeanne ihr die Wahrheit sagte. Wie hatte sie nur glauben können, daß sie Rogan etwas bedeutete? Er brauchte nun nicht mehr zu befürchten, daß sie sich in seine Angelegenheiten einmischte.
»Und die Wochentage?« flüsterte Liana.
»Sind wieder in der Burg«, antwortete Jeanne.
Liana holte tief Luft. »Was wollt Ihr also nun mit mir anstellen? Mein Mann möchte mich nicht haben. Auch meine Stiefmutter würde mich nicht gern wieder bei sich aufnehmen, denke ich. Ich fürchte, die Entscheidung liegt nun ganz allein bei Eurem Mann.«
»Oliver hat noch nichts entschieden.«
»Rogan und Severn werden sich jetzt wohl ins Fäustchen lachen, denke ich. Sie sind mich los, besitzen meine
Mitgift und haben ihren Feinden ein gewöhnlich aussehendes, störrisches und unbequemes Frauenzimmer aufgehalst.«
Damit hatte sie wohl den Kern der Sache erfaßt, dachte Jeanne bei sich, obwohl sie das nicht sagte. Sie empfand großes Mitleid mit Liana, weil sie sich an ihre eigene tiefe Verzweiflung in den ersten Wochen erinnerte, damals vor vielen Jahren, als Oliver Howard sie gefangennahm. Sie hatte zwar weder für ihren jungen Ehemann Liebe empfunden und schon gar nicht für dessen überhebliche Brüder; aber sie hatte sehr darunter gelitten, als sie hörte, wie viele Menschen ihretwegen den Tod
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