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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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»Da ist kein Rot darin«, hatte sie gesagt und war an ihm vorbeigegangen. Oliver war von Kindheit an im Haß auf die Peregrines erzogen worden, doch nun haßte er sie um so mehr. Es schien ihm so, als hätten die Peregrines immer den ersten Anspruch auf alles gehabt, was er besaß: auf seine Burg und seine Frau.
    Und so hatte Oliver nach so vielen Jahren diese Scharte mit den Peregrines auswetzen wollen, indem er wieder eine Ehefrau von ihnen gefangennahm. Doch diesmal war Rogan nicht bereit, um seine Frau zu kämpfen. Er wollte nicht den Verlust noch eines Bruders wegen einer Frau riskieren, die er von Anfang an nicht hatte haben wollen.
    Jeanne blickte Liana an und bekannte aufrichtig: »Ich weiß nicht, was jetzt geschehen wird.«
    »Ich ebensowenig«, antwortete Liana düster.

Kapitel achtzehn
    Liana trennte den Faden ab nach dem letzten Stich, mit dem sie den Lindwurm auf das Untergewebe gestickt hatte.
    Es war ihr gelungen, den Überzug für das Kissen in knapp zwei Wochen fertigzustellen, weil sie sich dazu gezwungen hatte, ihre Hände ständig in Bewegung zu halten. Denn je fleißiger ihre Hände waren, um so weniger kam sie zum Nachdenken.
    Fünf lange Wochen war sie nun schon die Gefangene der Howards. Nachdem sie wieder soweit hergestellt war, daß sie aufstehen und umhergehen konnte, hatte man ihr ein hübsches, sonniges Gästezimmer überlassen und alle Nähsachen, die sie brauchte. Jeanne hatte sich am Nähen zweier Gewänder beteiligt.
    Außer Jeanne bekam Liana nur Dienstboten zu Gesicht, die das Zimmer saubermachten, und diesen war es verboten, mit ihr zu sprechen. Die ersten paar Tage war sie im Zimmer auf und ab gelaufen, bis ihre Beine müde wurden; aber dann hatte sie zu nähen begonnen und sich mit dem Sticken komplizierter Muster beschäftigt, um ihren Geist von den Neuigkeiten abzulenken, die Jeanne ihr jeden Abend überbrachte.
    Die Howards ließen durch ihre Spione die Peregrines genau überwachen, die alles, was sie beobachtet hatten, Oliver meldeten. Rogan wurde jeden Tag gesehen — wie er mit seinen Rittern übte, mit seinem Bruder zur Jagd ritt oder den Mädchen nachstellte wie ein Satyr.
    Oliver ließ Rogan neue Drohungen zukommen, indem er behauptete, daß Liana sich inzwischen in Olivers Bruder verliebt habe. Rogan antwortete mit der Anfrage, ob er denn zur Hochzeit eingeladen würde.
    Liana hieb die Nadel in das Gewebe und stach sich dabei in den Daumen. Schnell kamen ihr die Tränen. Verdammtes Biest, dachte sie. Täglich ging sie im Geist die vielen schrecklichen Dinge durch, die Rogan ihr angetan hatte. Wenn sie jemals wieder aus dieser Burg herauskam, traf sie hoffentlich nie mehr mit einem Peregrine zusammen. Sie hoffte, daß sie alle, einschließlich dieses Jungen-Mädchens Zared, in ihrem eigenen Sumpf versanken und erstickten.
    Am anfang der sechsten Woche ihrer Gefangenschaft kam Jeanne mit besorgter Miene in Lianas Zimmer.
    »Was ist denn los?« fragte Liana.
    »Ich weiß es nicht. Oliver ist wütend — so wütend, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Er möchte Rogan zu einem offenen Schlagabtausch zwingen.« Jeanne ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Ich kann nicht erfahren, was er vorhat; aber ich denke, Oliver könnte eine persönliche Herausforderung an Rogan geschickt haben — eine Entscheidung durch einen Zweikampf.«
    »Das würde die Fehde ein für allemal beenden. Dem Sieger fiele diese Burg zu.«
    Jeanne legte ihr Gesicht in ihre Hände. »Ihr könnt es Euch leisten, so etwas zu sagen. Rogan ist um viele Jahre jünger als Oliver, größer und stärker dazu. Euer Gatte wird gewinnen, und meiner wird sterben.«
    In den letzten Wochen waren sich Jeanne und Liana erheblich nähergekommen, schon so vertraut miteinander, daß es fast als Freundschaft bezeichnet werden konnte.
    Liana legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, wie Euch zumute sein muß. Ich habe auch einmal geglaubt, daß ich meinen Mann liebte.«
    Rechts von ihnen schepperte etwas fürchterlich.
    »Was war denn das?« erkundigte sich Jeanne und hob den Kopf von ihren Händen.
    »Der Mann, der die Latrine reinigt.«
    »Ich wußte gar nicht, daß wir nicht allein sind.«
    »Ich vergesse selbst oft ihre Anwesenheit. Sie kommen und gehen so leise«, sagte Liana. »Zu Hause — in der Burg meines Mannes, meine ich — waren die Dienstboten ungeschickt, faul und hatten keine Vorstellung, wie man sauberzumachen hat.«
    Wieder hörten sie es scheppern.
    Liana ging zum Durchgang der Latrine.

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