Die Zaehmung
fanden. Eine Weile lang hatte es so ausgesehen, als würde auch Rogan an den Pfeilwunden sterben, die Oliver ihm versetzt hatte. Und als er sich dann doch davon erholte, hatte er erst erfahren, daß seine Brüder im Kampf gefallen waren.
Doch bei all ihrem Elend hatte sie in Oliver einen Beistand gefunden. Er hatte niemals beabsichtigt, die junge Ehefrau seines Feindes zu umgarnen; aber Olivers Frau war nach kinderloser Ehe im Jahr zuvor gestorben, und er war so einsam wie Jeanne. Sie fühlten sich zueinander hingezogen. Anfangs hatte ihm Jeanne trotzig widerstanden und hatte sich vor ihren Mann gestellt, der ihr kaum drei zärtliche Worte gesagt und sie nur umarmt hatte, wenn er seine sexuelle Lust an ihr stillte. Doch Olivers ruhiges, freundliches Wesen hatte sie mit der Zeit weich gemacht, und während vor den Mauern der Krieg tobte und Männer starben, lag Jeanne in der Burg in Olivers Armen.
Als Oliver wußte, daß Jeanne ein Kind von ihm unter dem Herzen trug, war er schrecklich eifersüchtig geworden. Sein Haß auf die Peregrines hatte sich vertieft, weil die Frau, die er liebte — die Mutter seines Kindes — die Gattin eines anderen Mannes war. Jeanne hatte ihn da-mals um die Erlaubnis gebeten, zu Rogan gehen und ihn um eine Annullierung ihrer Ehe bitten zu dürfen; doch Oliver war empört gewesen über ihr Ansinnen. Er war entsetzt, daß Jeanne zu den Peregrines zurückkehren wollte — oder daß Rogan Jeanne sogar, wenn er sie wiedersah und die Neuigkeit erfuhr, ermorden könnte.
Aber sie hatte sich Olivers Willen widersetzt und ihr Leben gefährdet, indem sie zu Rogan ging. Es war ein gewagtes Unternehmen gewesen, die belagerte Burg zu verlassen. In einer mondlosen Nacht hatten ihre Damen ihr geholfen, sich an der Mauer hinunterzulassen, und ein Mann, den sie mit einer nicht geringen Summe bestochen hatte, ruderte sie dann über den inneren Burggraben. Dann war sie geduckt weitergelaufen zu dem äußeren Graben, wo sie ein zweites Boot erwartete. Es hatte sie viel Geld gekostet, die Wachen auf den Zinnen dazu zu bewegen, in eine andere Richtung zu blicken; aber es war ihr gelungen.
Angetan mit einem grobgewebten wollenen Umhang war es ein leichtes gewesen, durch Rogans Lager zu wandern, ohne daß jemand sie dort erkannt hätte. Sie ging sogar an Severn und der jungen Zared vorbei, ohne daß diese sie auch nur mit einem Blick beachtet hätten. Als sie schließlich Rogan gegenüberstand, hatte er keine Freude über das Wiedersehen mit ihr empfunden, keine Erleichterung, daß er endlich die Belagerung aufheben konnte. Sie hatte ihn gebeten, mit ihr in den Wald zu gehen, und er hatte ihrer Bitte stattgegeben. So rasch, wie es ihr möglich war, hatte sie ihm dort mitgeteilt, daß sie sich in Oliver verliebt habe und nun mit seinem Kind schwanger sei.
Einen Moment hatte sie geglaubt, er würde sie umbringen. Doch statt dessen hatte er sie beim Arm gepackt und ihr gesagt, daß sie eine Peregrine sei und bei ihm bleiben müsse — daß er sie nie an einen Howard freigeben würde.
Sie hatte vergessen, wie starrsinnig ein Peregrine sein konnte. Und bei dem Gedanken, daß sie Oliver nie Wiedersehen würde und den Rest ihres Lebens in der unglaublich schmutzigen Burg von Moray Castle verbringen mußte, hatte sie zu weinen begonnen. Sie erinnerte sich nicht mehr, was sie zu ihm gesagt hatte; aber sie glaubte sich zu entsinnen, daß sie Rogan damit gedroht hatte, sich umzubringen, wenn sie wieder mit ihm leben müsse.
Was sie damals auch immer vorgetragen haben mochte
— er gab ihr schließlich den Arm frei und stieß sie heftig gegen einen Baum. »Verschwinde«, hatte er gesagt, »geh mir aus den Augen.«
Jeanne war dann von ihm weggelaufen und hatte nicht eher angehalten, bis sie die Hütte eines Bauern erreicht und sich dort im Heu versteckte.
An diesem Tag hatten die Peregrine die Belagerung der Burg aufgehoben, und einen Monat später hatte Jeanne erfahren, daß Rogan den König gebeten hatte, seine Ehe mit ihr zu annullieren.
Es war Jeanne gelungen, ihr Zusammentreffen mit Rogan vor Oliver geheimzuhalten, und sie hatte sich damit viele eifersüchtige Vorwürfe erspart. Doch in den darauffolgenden Jahren hing dennoch die Tatsache, daß sie einmal mit einem Peregrine verheiratet gewesen war, wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen. Jahrelang hatte Oliver ihren ältesten Sohn mit scheelen Blicken angesehen, und einmal hatte Jeanne ihn sogar dabei ertappt, wie er die Haare des Jungen untersuchte.
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