Die Zaehmung
war, und stellte sie auf den Tisch zurück. Dann kam sie wieder an Lianas Bett. »Wenn ich Euch jetzt verließe«, sagte sie müde, »würde sich niemand mehr um Euch kümmern. Oliver hat befohlen, daß niemand Euch mehr besuchen warf. Aber sie wagen nicht, mir den Zutritt zu Eurem Zimmer zu verwehren.«
»Weil Oliver jeden töten wird, der sich den Wünschen der Frau widersetzt, die er liebt?« erwiderte Liana bissig. »Die Frau, die meinen Mann verriet?«
Jeanne stand auf und trat ans Fenster. Als sie wieder auf Liana zurücksah, schien ihr Gesicht um Jahre gealtert zu sein. »Ja, ich verriet ihn. Und meine einzige Entschuldigung für meinen Verrat sind meine Naivität und meine Jugend. Ich wurde mit Rogan getraut, als ich noch ein Kind war. Ich hatte großartige Träume, was mein Leben als verheiratete Frau anbelangte. Ich war seit frühester Jugend verwaist und ein Mündel des Königs, und deshalb wuchs ich als ungeliebtes, unerwünschtes und unbeachtetes Kind bei Nonnen auf. Ich dachte, die Ehe würde mir jemanden geben, den ich lieben könnte, und daß ich endlich ein echtes Heim hätte.«
Sie schwieg eine Weile und fuhr dann verhaltener fort: »Ihr habt seine älteren Brüder nicht gekannt. Nachdem ich mit Rogan vermählt worden war, machten sie mir das Leben zur Hölle. Für sie war ich Geld — Geld für ihren Krieg gegen die Howards — und nicht mehr. Wenn ich redete, hörte mir niemand zu; wenn ich einem Dienstboten einen Befehl gab, gehorchte er mir nicht. Täglich mußte ich in größerem Schmutz leben, als ich jemals geglaubt hätte.«
Lianas Zorn verflog. Da sprach zu viel Wahrheit aus Jeannes Worten.
»Rogan kam zuweilen des Nachts zu mir; denn in der übrigen Zeit hatte er andere Frauen.« Jeanne starrte auf die Wand neben Liana. »Es war furchtbar«, flüsterte sie. »Ich galt weniger als Waise für diese schrecklichen schönen Männer; ich war ein Nichts. Für sie existierte ich überhaupt nicht. Sie redeten über meinen Kopf hinweg miteinander. Wenn ich irgendwo stand, wo einer von ihnen sich aufhalten wollte, stieß er mich einfach zur Seite. Und diese Gewalttätigkeiten!« Sie erschauerte bei der Erinnerung daran. »Wenn einer den anderen auf sich aufmerksam machen wollte, warf er ihm eine Axt an den Kopf. Ich habe nie verstanden, wie die Brüder es geschafft hatten, das Erwachsenenalter zu erreichen.«
Jeanne blickte nun auf Liana hinunter. »Als ich hörte, daß Ihr sein Bett in Brand gesteckt hattet, wußte ich, daß Ihr nur richtig gehandelt habt. So etwas würde Rogan verstehen. Ihr habt ihn mit diesem Verhalten zweifellos an seine Brüder erinnert.«
Liana wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie wußte nur, daß jedes Wort, das Jeanne zu ihr gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Sie hatte selbst erfahren, wie man sich fühlte, wenn man für andere einfach nicht existierte. Ja, sie hatte richtig gehandelt, als sie Rogans Bett anzündete; aber hätte das ausgereicht, wenn sie auch noch seine älteren Brüder gegen sich gehabt hätte? Sie faßte sich wieder. Sie würde für diese Verräterin nicht Partei ergreifen.
»Und war das alles« — Liana deutete zum Fenster hin und auf den riesigen Besitz, der sich darunter ausbreitete
— »einen Verrat wert? Zwei Brüder starben bei dem Versuch, Euch zurückzugewinnen. Wart Ihr froh, als Ihr von ihrem Tod erfahren habt?«
Jeannes Gesicht verfärbte sich vor Zorn. »Diese Männer starben nicht bei dem Versuch, mich zurückzugewinnen. Sie hätten mich aus einer Schar von Frauen niemals herausfinden können. Sie starben im Kampf gegen die Howards. Als ich noch bei den Peregrines weilte, hörte ich immer nur, wie gemein und niederträchtig die Howards wären, und heute höre ich nur von der Niedertracht der Peregrines. Wann wird diese scheußliche Fehde endlich ein Ende finden?«
»Ihr habt mit Eurem Verrat nicht gerade geholfen, sie zu beenden«, sagte Liana und spürte, wie ihre Kräfte nun rasch schwanden.
Jeanne beruhigte sich ein wenig. »Nein, das stimmt; aber Oliver war so gut zu mir, und dieses Haus . . .« Ihre Stimme verebbte, als sie sich wieder an damals erinnerte. »Hier gab es Musik und lachende Gesichter, heiße Bäder mit duftendem Wasser, und Dienstboten, die einen artigen Knicks vor mir machten. Und Oliver war so aufmerksam und . . .«
»So aufmerksam, daß Ihr ein Baby von ihm bekamt«, sagte Liana.
»Nach Rogans rauher Behandlung war Oliver eine
Freude im Bett«, gab Jeanne zurück und stand auf. »Ich werde
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