Die Zaehmung
nicht von ihnen gehört haben; aber das Land meines ersten Gatten grenzte an das ihre. Trotz ihrer stattlichen Ahnenreihe sind sie so arm wie Honigwagen-Kutscher — und wohl auch so sauber.«
»Was haben denn die Peregrines mit mir zu schaffen?«
»Zwei von ihnen sind gestern abend hier eingetroffen, und der ältere der beiden sagt, er sei gekommen, um dich zu heiraten.« Helen warf die Hände in die Luft. »Das ist typisch für sie. Sie bitten dich nicht um deine Hand — sie verkünden, daß eine dieser schmutzigen Bestien hier ist, um dich zu heiraten.«
Liana besann sich wieder darauf, daß es auch so ein schmutziger Mann gewesen war, der sie geküßt und geneckt hatte. »Ich bin Lord Stephen versprochen. Schon ist ein Bote unterwegs, der ihm mitteilte, daß seine Werbung angenommen wurde.«
Helen setzte sich auf das Bett und seufzte schwer. »Das habe ich auch zu deinem Vater gesagt; aber er will nicht auf mich hören. Diese Männer haben zwei riesige Falken als Geschenk für ihn mitgebracht — zwei große ‘Peregrines’, die genauso heißen wie ihr verdammtes Geschlecht
— Gilbert hat die ganze Nacht damit verbracht, ihnen eine Falknergeschichte nach der anderen zu erzählen. Er ist davon überzeugt, daß dies die besten Männer von allen wären. Er bemerkt weder ihren üblen Körpergeruch noch ihre Armut. Er will auch nichts von der Brutalität ihrer Taten wissen. Ihr Vater hat vier Frauen verbraucht.«
Liana blickte ihre Stiefmutter fest an. »Warum ist es plötzlich wichtig für dich, welchen Mann ich heirate? Ist in deinen Augen nicht ein Mann so gut wie jeder andere? Du willst mich doch nur aus dem Haus haben. Weshalb diese Sorge, daß ich nicht einen von diesen Peregrines erwähle?«
Helen legte die Hand auf ihren geschwollenen Leib. »Du wirst das niemals verstehen«, sagte sie müde. »Ich möchte nur Herrin in meinem eigenen Haus sein.«
»Während ich mein Heim verlassen und zu einem Mann gehen soll, der nur auf meine Mit . . .«
Helen hob die Hand. »Es war ein Fehler von mir, das Gespräch mit dir zu suchen. Von mir aus kannst du zu deinem Vater hinuntergehen. Laß dich von ihm an diesen Mann verkuppeln, der dich vermutlich schlagen wird — ein Mann, der dir jeden Penny abluchsen wird, den du besitzt, und dir nicht einmal ein Kleid zum Anziehen gönnt. Kleider! Kleider bedeuten diesen Männern gar nichts. Der älteste von ihnen zieht sich schlimmer an als die Küchenjungen. Wenn er sich bewegt, kannst du die Löcher in seiner schmutzigen Unterwäsche sehen.« Helen stemmte sich wieder vom Bett hoch. »Hasse mich, wenn du mußt; aber ich bitte dich, nicht dein Leben zu ruinieren, indem du das tust, wovon ich dir abrate.« Damit verließ sie das Zimmer.
Liana war nicht sonderlich an diesem neuen Mann interessiert, der verkündet hatte, daß er sie zu heiraten gedachte. Männer wie er waren seit Monaten zu jeder Tages-und Nachtzeit in die Burg gekommen. Was sie, Liana, betraf, vermochte sie keinen großen Unterschied zwischen ihnen zu entdecken. Einige waren alt, andere jung, manche hatten Verstand, andere wieder nicht. Doch eines verband sie alle — das Verlangen nach der reichen Mitgift. Was sie wirklich wollten, war das Geld der Nevilles . . .
»Löcher in den Unterkleidern?« sagte Liana laut, während ihre Augen sich weiteten. »Löcher in den Gewändern?«
Joice kam ins Zimmer. »Mylady, Euer Vater . . .«
Liana drängte sich an ihrer Magd vorbei und rannte die steile Wendeltreppe hinunter. Sie mußte diesen Mann sehen — mußte ihn sehen, ehe er sie sah. Am Fuß der Treppe rannte sie durch die Tür hinaus auf den Burghof, an den Rittern vorbei, die sich dort räkelten; vorbei an Pferden, die auf ihre Reiter warteten; vorbei an den Jungen, die sich vom Drehen der Bratspieße in der Sonne erholten, und in die Küche hinein. Die gewaltige offene Feuerstelle machte die Zimmer in dieser kaninchenbauartigen Burg zuweilen erstickend heiß; doch Liana lief weiter. Sie öffnete eine kleine Tür in der Nähe der Abfallgrube und rannte die steilen Stufen hinauf, die zu der Galerie für die Musikanten führte.
Sie legte den Finger schnell an die Lippen, um den Fiedelspieler zum Schweigen zu bringen, der sie ansprechen wollte.
Die Musikanten-Galerie war ein hölzerner Balkon an einem Ende der großen Halle, mit einem hüfthohen hölzernen Geländer, das die Musikanten den Blicken der Gäste unten entzog. Liana stellte sich an eine Ecke der Galerie und schaute hinunter in die Halle.
Er
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