Die Zaehmung
»Sonnenlicht auf Gold.«
Sie wandte sich zornig von ihm ab und bemerkte nicht, wie Sir Robert versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.
»Würdet Ihr mir gestatten, Euch auf Eurem Ritt zu begleiten?« fragte er höflich. »Ich schwöre bei der Seele meiner Mutter, daß ich nicht einen Teil Eurer herrlichen Gestalt preisen werde. Ich werde Euch ein häßliches altes Weib nennen, wenn Ihr das wünscht.«
Sie blickte nicht zu ihm zurück, als sie zu ihrem Pferd ging, das der Stallbursche bereits für sie sattelte. Sie konnte nichts Spaßhaftes an seiner Bemerkung finden. Natürlich würde er zu ihr sagen, daß sie ein häßliches altes Weib sei. Er würde alles sagen, was sie von ihm verlangte.
Sie beachtete ihn nicht, als sie durch das äußere Tor über die Zugbrücke ritt und dann zum nahegelegenen Wald. Sie wußte nicht, wohin sie eigentlich reiten wollte; lenkte aber das Pferd in die Richtung, wo sich der kleine See am Fluß befand. Sie wußte, daß Sir Robert hinter ihr Mühe hatte, den Anschluß nicht zu verlieren; aber sie dachte nicht daran, seinetwegen das Tempo zu mäßigen.
Als sie den See erreichte hatte, hielt sie an dessen Ufer an und saß einen Moment lang regungslos im Sattel, während sie an den gestrigen Tag dachte, wo Rogan hier im Gras gelegen hatte. Sie lächelte bei der Erinnerung daran, was für ein Gesicht er gemacht hatte, als sie ihm sein mit Schlamm bedecktes Hemd gegen die Brust geschleudert hatte.
»Myladys Reitkunst ist so vollkommen wie ihre Schönheit«, sagte Sir Robert, als er sein Pferd neben ihr zügelte. Liana wollte aus dem Sattel steigen, doch er protestierte und ließ es sich nicht nehmen, ihr dabei zu helfen.
Sie verbrachte zwei Stunden mit ihm am See, und fand nicht das geringste an ihm auszusetzen. Er war liebenswürdig, rücksichtsvoll, unterhaltsam, gebildet und behandelte sie, als wäre sie eine zarte Blume, die jeden Moment zerbrechen konnte. Er sprach mit ihr über Liebessonette und Kleidermoden und schien anzunehmen, daß sie ganz versessen darauf sei, die neuesten Nachrichten von König Heinrichs Hof zu erfahren. Dreimal versuchte Liana das Gespräch auf die Verwaltung von Ländereien und die Preise für Wolle zu lenken; aber Sir Robert wollte davon nichts hören.
Doch sie dachte die ganze Zeit über an Lord Rogan und was sie mit ihm hier erlebt hatte. Er war natürlich ein schrecklicher Mann — schmutzig, herrisch und arrogant. Und natürlich kleidete er sich wie ein Bauer, obschon er wußte, daß er ein Graf war — oder wenn das stimmte, was Helen ihr erzählt hatte, war er sogar ein Herzog. Aber er hatte etwas an sich gehabt, etwas Starkes und Magnetisches, so daß es ihr kaum möglich war, an etwas anderes zu denken als an ihn.
»Vielleicht kann ich Euch den neuen Tanz beibringen, Lady Liana?«
»Ja, oh, gewiß.« Sie gingen nun Seite an Seite einen breiten Fahrweg im Wald hinunter. Zweimal hatte er ihr seinen Arm angeboten; doch sie hatte dieses Angebot nicht annehmen wollen. »Was erwartet ein Mann sich eigentlich von einer Ehefrau?« fragte sie.
Sie merkte nicht, wie die Brust von Sir Robert anschwoll vor Stolz, weil ihre Worte sehr ermutigend klangen.
»Frauen sollen einem Mann Trost und Beistand sein, ihm ein Heim schaffen und seine Kinder gebären. Frauen sollen einem Mann Liebe schenken.«
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. »Und so viel Land, wie ihr Vater entbehren kann?«
Sir Robert erwiderte darauf lachend: »Das hilft natürlich.«
Liana runzelte die Stirn, weil sie daran denken mußte, wie Rogan zu ihr sagte: »Ich werde kein böses Weib heiraten. Ich nehme sie nur, wenn sie fügsam ist und sanft.«
»Ich schätze, alle Männer mögen sanfte, gehorsame Ehefrauen«, sagte sie.
Sir Robert blickte sie mit begehrlichen Augen an — begehrlich, weil sie so ein schönes Geschöpf war und zugleich der reichen Mitgift wegen, die sie in die Ehe mitbringen würde. Seinetwegen durfte sie auch ein sprödes Wesen haben — tatsächlich gefiel ihm sogar ihr widerborstiges Verhalten, aber das würde er einer Frau natürlich niemals sagen. Es war klüger, ihnen zu sagen, daß sie gehorsam sein sollten, und das Beste zu hoffen.
Sie gingen nun schweigend nebeneinander her; doch Liana schwindelte der Kopf. Warum würde sie sogar ernsthaft erwägen, ob sie einen Mann wie Lord Rogan heiraten sollte? Es gab doch nichts, was ihn als Ehemann empfahl. Er hatte sie doch äußerst unhöflich behandelt; aber er hatte sie ja auch für eine Bauerndirne
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