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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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ist doch nur freundlich zu mir«, erwiderte Liana.
    »Wenn Ihr seine Freundlichkeit akzeptiert, werdet Ihr Unfrieden zwischen den Brüdern stiften. Euer Gatte wird sich wundern, ob Ihr nun ihm oder seinem Bruder zugeneigt seid.«
    »Ich weiß nicht, ob er sich solche Gedanken macht, so-lange er mich nicht einmal anschaut«, murmelte Liana für sich.
    Joice lächelte in der Staubwolke, die sie beide einhüllte. Mit jeder Stunde fühlte sie ihre Macht wachsen. Als Kind hatte Lady Liana nie auf sie gehört, und einige Male war Joice bestraft worden, weil sich Liana ihrer Aufsicht entzogen und irgend etwas angestellt hatte. Doch endlich hatte sie etwas, über das sie Bescheid wußte und ihre Herrin nicht.
    Sie ritten bis in die Nacht hinein, und Liana wußte, daß Joice und ihre anderen sechs Mägde vor Erschöpfung fast aus dem Sattel fielen; aber sie wagte nicht, ihren Gatten zu bitten, eine Rast einzulegen. Zudem war Liana viel zu aufgeregt für eine Ruhepause. Heute würde ihre Hochzeitsnacht sein. Heute würde sie die ganze Nacht hindurch in den Armen ihres Gatten liegen. Heute nacht würde er sie liebkosen, ihr Haar streicheln, sie küssen. Für solchen Lohn konnte man ruhig einen Tag lang reiten und ein bißchen Staub schlucken.
    Als sie dann anhielten, um ein Lager aufzuschlagen, waren alle ihre Sinne wach und in gespannter Erwartung. Einer der Ritter fand sich bereit, ihr vom Pferd zu helfen, und Liana gebot Joice, sich um die anderen Mägde zu kümmern, während sie sich nach ihrem Mann umblickte und ihn zwischen den Bäumen verschwinden sah.
    Liana hörte nur mit halbem Ohr auf die Klagen ihrer Frauen in ihrem Rücken, die es nicht gewohnt waren, so weite Wege auf einem Pferderücken zurückzulegen. Sie hatte keine Zeit für sie. Sie mußte den richtigen Augenblick abpassen und versuchte, sich unbefangen zu geben, als sie ihrem Mann in den Wald folgte.
    Rogan erledigte zuerst ein natürliches Bedürfnis unter den Bäumen, ehe er tiefer in die stille Dunkelheit des Wal-des hineinging bis zu einem kleinen Fluß. Bei jedem Schritt, den er machte, verkrampften sich seine Muskeln noch mehr. Es hatte mit dem Wagentroß länger gedauert als sonst, die Strecke bis hierher zurückzulegen, und nun war die Dunkelheit so vollkommen, daß er sich am Flußufer förmlich entlangtasten mußte.
    Es dauerte eine Weile, ehe er den Steinhügel wiederfand, diesen sechs Fuß hohen Kegel, den er zum Andenken an seinen ältesten Bruder Rowland errichtet hatte, der hier durch die Hand eines Howard den Tod fand. Rogan stand einen Moment regungslos da, bis sich seine Augen an das schwache Mondlicht gewöhnt hatten, das auf den grauen Steinen lag, und dabei hörte er wieder im Geist die Geräusche des Kampfes, der damals hier stattfand.
    Rowland und seine Brüder waren hier auf der Jagd gewesen, und Rowland, der sich sicher gefühlt hatte, da diese Stelle zwei Tagesritte vom Gebiet der Howands entfernt lag — genau genommen, vom Gebiet der Peregrines —, hatte sich aus dem schützenden Ring seiner Männer entfernt, um hier am Flußufer allein zu sein und einen Becher Bier zu trinken.
    Rogan wußte, weshalb sein ältester Bruder allein sein wollte und warum er sich so oft des Abends einen Rausch antrank. Ihm lag der Tod dreier Brüder und ihres Vaters schwer auf der Seele, die alle von den Howards umgebracht worden waren.
    Rogan hatte beobachtet, wie sein geliebter Bruder in die Dunkelheit hineinging, und hatte nicht versucht, ihn aufzuhalten. Doch er hatte einem Ritter das Zeichen gegeben, ihm zu folgen und über ihn zu wachen — ihn zu beschützen, wenn er in trunkenem Vergessen auf der Erde schlief.
    Rogan blickte auf die Steine, während er sich an das tragische Geschehen in jener Nacht erinnerte und sich abermals dafür verfluchte, daß er nicht selbst über seinen Bruder gewacht hatte. Er war eingeschlafen, und dann weckte ihn irgendein Geräusch, oder vielleicht war es auch nur eine Vorahnung gewesen. Er war von seinem Strohsack aufgesprungen, hatte sein Schwert gepackt und war in den Wald hineingerannt. Doch er war zu spät gekommen. Rowland hatte am Flußufer gelegen, von einem Howard-Schwert, das seinen Hals durchbohrte, an den Boden genagelt. Der Ritter, der über ihn wachen sollte, lag mit durchschnittener Kehle tot daneben.
    Rogan hatte den Kopf zurückgeworfen und einen langen, lauten, durchdringenden Wehschrei ausgestoßen.
    Seine Männer und Severn waren im Nu bei ihm gewesen und hatten den Wald nach den Howards

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