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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Vorgesetzten nicht beirren und trug weiter seine Ergebnisse vor. »Im nächsten Buch geht es um eine Heuschreckenplage und das Letzte Gericht«, las er.
    »Letztes Gericht passt schon besser, ist mir aber immer noch zu weit hergeholt. Geh doch bitte noch einmal die Aussage von Frau Schubert durch und finde heraus ...«
    »Das war noch nicht alles«, sagte Bender und fuchtelte mit dem Packen Papier vor Morell herum. »In der Bibel gibt es noch mehr Zwölfen!«
    Morell atmete tief ein. Um ehrlich zu sein, fand er Benders Ausführungen mehr als nur sinnlos. Aber er wollte kein Spielverderber sein.
    »Dann schieß mal los, aber fass dich kurz«, sagte er deshalb. »Ich
bin nämlich zu dem Schluss gekommen, dass unser Täter den Friedhof und die Kirche aus taktischen, nicht aus symbolischen Gründen gewählt hat. Ich erkläre dir später, warum. Aber jetzt lass erst einmal hören«, sagte Morell, der den Inspektor nicht vor den Kopf stoßen wollte.
    »Außer den zwölf kleinen Propheten werden im Alten Testament noch die zwölf Stämme Israels erwähnt.« Bender fischte einen Zettel aus seinem Stapel und begann vorzulesen: »Abrahams Enkel Jakob, der von Gott in Israel umbenannt wurde, hatte zwölf Söhne, aus denen die zwölf Stämme Israels hervorgingen. In der Reihenfolge ihrer Geburt sind das ...«
    »Ich glaube, das bringt nichts«, unterbrach ihn Morell. »Du solltest lieber noch einmal die Aussage von Frau Schubert ...«
    »Das war erst das Alte Testament«, sagte Bender, der nicht glauben wollte, dass seine ganzen Recherchen umsonst gewesen waren. »Es gibt auch noch das Neue.«
    Morell blickte verzweifelt, aber der junge Inspektor ließ sich davon nicht beirren und präsentierte weiter seine Ergebnisse. »Jesus hatte zwölf Apostel.«
    Morell gähnte.
    »Warten Sie es ab, es könnte gleich spannend werden. Der Apostel Petrus soll nämlich darum gebeten haben, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt zu werden, da er sich unwürdig fühlte, auf die gleiche Art zu sterben wie Christus. Andreas wiederum wurde auf einem x-förmigen Kreuz gekreuzigt.« Benders Wangen waren vor lauter Eifer gerötet. Er sah den Chefinspektor triumphierend an.
    »Ach so«, sagte Morell, dem der Übereifer seines Schützlings langsam ein wenig lästig wurde. »Du meinst, der eine Apostel an einem x-förmigen Kreuz und der andere kopfüber gibt zusammen eine x-förmige-kopfüber-Kreuzigung wie bei Josef Anders?« Er schüttelte den Kopf. »Du musst schon zugeben, dass das sehr weit hergeholt ist.«
    Bender wirkte plötzlich ein wenig zerknautscht. »Ich dachte, solange wir keinen besseren Ansatz haben, ist eine absurde Theorie besser als gar keine.«
    »Und wie viele von diesen absurden Theorien hast du noch auf Lager?«
    »Keine mehr.«
    Morell atmete innerlich auf. »Da hast du dir ja einiges angetan, gestern Nachmittag.«
    Bender nickte.
    »Lass mir deine Aufzeichnungen einfach auf dem Schreibtisch liegen. Ich sehe mir die Sachen noch einmal durch, sobald ich Zeit dafür finde. Vielleicht haben wir ja etwas übersehen.«
    Bender öffnete die Tür und wollte Morells Büro verlassen.
    »Ach, Robert«, hielt Morell ihn zurück. »Trotzdem gute Arbeit.« Er nickte seinem Inspektor aufmunternd zu.
    »Danke, Chef«, sagte Bender und verließ ein wenig verlegen den Raum.
    Als Bender die Tür hinter sich schloss, wussten beide, dass sie sich in einer Sackgasse befanden.
    ›Irgendwo muss es doch einen Hinweis geben‹, dachte Morell und steckte sich noch eine Pumpernickel-Cheddar-Schnitte in den Mund. ›Irgendwo muss ein Punkt sein, an dem wir ansetzen können.‹ Er entschloss sich – nur der Vollständigkeit halber –, zu Frau Vogelmann zu fahren, die ja von Genz gestern ins Spiel gebracht worden war. Zwar hatte er überhaupt keine Lust dazu, aber ihm war klar, dass er selbst der kleinsten Spur nachgehen musste.
    Er hatte mit der alten Frau leider viel zu oft zu tun. Sie kam ständig zu ihm aufs Revier gerannt und beschwerte sich über jede auch noch so unwichtige Kleinigkeit. Die meisten Leute in Landau hielten sie für verrückt – nicht verrückt im Sinne von liebenswert und schrullig, sondern eher in Richtung boshaft und zum Fürchten. Sie war eine richtige Hexe. Ein Kinderschreck. Leider wusste
Morell nur zu gut, dass sie nicht so senil war, wie alle dachten. Es kam zwar oft vor, dass sie wirres Zeug daherredete, aber sie kannte alle ihre Rechte. Trotz ihres Alters trug sie keine Brille, und ihre kleinen, listigen Augen sahen einfach

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