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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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die Einzige in ihrem Freundeskreis, die noch kein süßes, kleines Enkelkind hatte?
    Aber Lorentz hatte sich getäuscht. »Ich bin ein wenig in Eile«,
sagte sie. »Ich treff mich gleich mit Elise aus meinem Gymnastikkurs, und meine Haare sehen fürchterlich aus.« Sie fuhr sich durch ihre blond gefärbten Locken. »Ach ja, bevor ich es vergesse«, sie kramte in ihrer Handtasche herum. »Das ist für dich gekommen.« Sie drückte Lorentz ein Kuvert in die Hand und sauste ins Badezimmer.
    Auf dem Umschlag stand Lorentz’ Name und darunter die Anschrift seiner Eltern. Wer kam denn bitte auf die Idee, ihm einen Brief an diese Adresse zu schicken? Immerhin wohnte er seit 15  Jahren nicht mehr hier. Es gab keinen Absender und auch keine Briefmarke. Irgendjemand musste den Umschlag also persönlich in den Briefkasten geworfen haben. Sehr komisch. Lorentz runzelte die Stirn und öffnete das Kuvert. Darin steckte ein einfacher, weißer Papierbogen, der zweimal gefaltet war.
    Irgendein Scherzkeks hatte ein paar komische Wörter auf das Blatt gestempelt. Die Buchstaben sahen so aus wie jene, die man im Schreibwarenladen kaufen konnte, um dann im Büro Stempel mit so tollen Aussagen wie ›Eingegangen‹, ›Gebucht‹, oder ›Streng vertraulich‹ zu basteln. Die ganze Nachricht bestand aus vier Zeilen, in denen je drei Begriffe standen:
    Stab – Schmetterling – Blatt
Aida – Antigone – Quin Shi Huang Di
Robur – Pendula – Aucuparia
Leonidas – Astylos – Koroibos
    Lorentz starrte den Brief an. Was sollte der Quatsch? Das ergab ja wohl überhaupt keinen Sinn! Irgendeiner von diesen komischen Dorftrotteln wollte ihn wohl auf den Arm nehmen!
    Aber was hatte er denn erwartet? Jahrhundertelanger Inzest, wie er in abgelegenen Bergdörfern oft vorkam, hinterließ eben seine Spuren.
    Lorentz warf das dubiose Blatt in den Papierkorb, zog sich aus
und kroch ins Bett. Er fühlte sich schlecht und hatte Kopfschmerzen. Ein, zwei Stunden Schlaf würden ihm guttun.
    Er schloss die Augen und versuchte einzuschlafen, aber es ging nicht. Irgendetwas war hier faul. Sosehr er sich auch bemühte, sein Hirn auszuschalten, die erste Zeile der mysteriösen Nachricht lief wie eine Dauerschleife durch seinen Kopf:
    Stab – Schmetterling – Blatt; Stab – Schmetterling – Blatt; Stab – Schmetterling – Blatt; Stab – Schmetterling – Blatt; Stab – Schmetterling – Blatt; Stab – Schmetterling – Blatt ...
    Es gab einen Zusammenhang zwischen diesen drei Wörtern, da war er sicher. Sie hatten einen gemeinsamen Nenner, der aber irgendwo in den unendlichen Tiefen seines Hirns verschüttet lag, und je mehr er versuchte, ihn an die Oberfläche zu bekommen, desto tiefer schien er zu versinken.
    »Einfach nicht daran denken, dann fällt es dir von selber ein«, sagte er sich und döste langsam ein.
    Die Erkenntnis kam schlagartig ungefähr eine halbe Stunde später und ließ Lorentz aus seinem Dämmerzustand hochschrecken.
    »Scheiße«, sagte er. »Scheiße, Scheiße, Scheiße! Das kann nicht sein!« Rasch griff er in den Abfalleimer, schnappte sich das Papier und las die Nachricht noch einmal. Er glaubte zu wissen, was die erste Zeile zu bedeuten hatte. Und da war noch etwas.
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ihm bewusst wurde, was ihn noch beunruhigte.
    Der Brief bestand aus zwölf Begriffen.
    Und Stefan hatte gestern erzählt, dass jemand Joe mit zwölf Messerstichen getötet und genau diese Zahl in seinen Körper geritzt hatte.
    Während er das Papier anstarrte, krampfte sich sein Magen zusammen und ihn überkam eine Gänsehaut. Hastig zog er sich
seine Klamotten an und düste nach unten. »Ich muss schnell mal weg«, rief er in Richtung Wohnzimmer, wo er seinen Vater vermutete. »Hab keine Ahnung, wann ich wieder zurück bin.« Ohne eine Antwort abzuwarten, stolperte er in die Küche, steckte den Brief in einen Frischhaltebeutel und raste dann zur Haustür hinaus.
    Während er die Straße entlanghastete, überschlugen sich seine Gedanken. Er ignorierte das Stechen, das die kalte Luft in seinen Lungen verursachte, und als er auf dem vereisten Gehsteig ausrutschte und hinfiel, kümmerte er sich nicht weiter um den pochenden Schmerz in seiner Hand und den Schnee auf seinem Hosenboden, sondern stand einfach wieder auf und sprintete weiter.
    Als er endlich die Polizeiwache erreichte, war er völlig außer Atem. Ohne sich um Bender zu kümmern, der ihn fassungslos anstarrte, raste er direkt in Morells Büro.
    Der Chefinspektor,

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