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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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zur Tür hereinkam. »Hallo«, sagte er, während er sich die Dose mit dem Kaffee schnappte und Bender stattdessen eine Packung Rotbuschtee hinstellte. »Ist besser für deinen Magen«, belehrte er seinen Assistenten, der ihn mit offenem Mund anstarrte. Dann wandte er seinen Blick wieder Lorentz zu. »Kann ich was für dich tun?«
    »Na ja, ich glaube eher, dass ich was für dich tun kann«, entgegnete der und war ein wenig enttäuscht, als weder der dicke Polizist noch das Babyface, das anscheinend sein Assistent war, in Jubel ausbrachen.
    »Da bin ich aber schon gespannt«, sagte Morell und deutete auf die Tür zu seinem Büro.
    Bender wollte protestieren und griff nach der Kaffeedose, die der Chefinspektor immer noch fest umklammert hielt. Ohne Erfolg – Morell zog seine Hand weg und bedachte Bender mit einem väterlichen Blick. »Denk an deinen Magen«, sagte er und drehte sich um.
    Als Morell die Tür hinter sich schloss, konnte er hören, wie sein
Inspektor draußen leise herumfluchte. Er zeigte sich von Benders Schimpftiraden unbeeindruckt, setzte sich hin und wies auf einen Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand.
    Lorentz ließ sich auf den zugewiesenen Sitzplatz fallen und sah sich im Zimmer um. So stellte er sich einen Aufenthaltsraum im Altersheim vor, aber nicht das Büro eines Chefinspektors. Überall standen Pflanzen. Der Rest der Inneneinrichtung bestand aus einem Aktenschrank, der nicht einmal zur Hälfte gefüllt war, einem Foto, das Morell mit einem überdimensionalen Kürbis zeigte, einem Wasserkocher und einer Tasse mit der Aufschrift ›Gartenbauverein Landau‹. Das Einzige, das darauf schließen ließ, dass hier eine Mordermittlung im Gange war, war der mit Papieren zugemüllte Schreibtisch. Seine Hilfe war hier anscheinend mehr als nötig.
    »Ich möchte dir anbieten, euch bei den Ermittlungen im Fall Joe Anders zu helfen«, sagte Lorentz und sah Morell triumphierend an. Dabei versprühte er so viel Selbstbewusstsein, dass es für einen ganzen Schulbus voller pubertierender Jugendlicher gereicht hätte.
    »Aha. Und wie kommst du auf die Idee, dass wir hier Hilfe benötigen?«, fragte Morell und runzelte seine Stirn. Er war noch unentschlossen, ob er auf Lorentz’ Antrag amüsiert oder entrüstet reagieren sollte.
    »Ich habe mir sagen lassen, dass es hier zurzeit nur dich und den kleinen Frischling da draußen gibt. Da kannst du doch sicherlich Unterstützung gebrauchen.«
    »Nun ja«, sagte Morell und tat so, als würde er überlegen. »Wir könnten tatsächlich jemanden brauchen, der das Telefon abhebt, Tee kocht, Protokolle abtippt, Faxe verschickt, einkaufen geht ...«
    »Nein, nein, ich will nicht eure Sekretärin spielen«, fiel Lorentz ihm ins Wort. »Ich will richtige Polizeiarbeit machen. Spuren sichern, Profile auswerten und solche Dinge.«
    Morell sah ihn ungläubig an und brauchte einige Augenblicke,
bis er seine Sprache wiederfand. Dieser überhebliche kleine Wichtigtuer meinte das, was er hier von sich gab, anscheinend wirklich ernst. Es war ihm stets bewusst gewesen, dass Lorentz ziemlich abgehoben war, aber diese Aktion schlug dem Fass doch den Boden aus. »Du willst mich wohl verarschen?«, fragte er ungehalten.
    »Auf gar keinen Fall – das ist mein absoluter Ernst«, sagte Lorentz in einem Tonfall, der den Chefinspektor vollends davon überzeugte, dass es sich um keinen Scherz handelte. »Joe war doch mein bester Freund! Ich bin es ihm schuldig, dass ich dabei mithelfe, seinen Mörder zu finden.«
    »Komisch«, entgegnete Morell und lehnte sich nach vorn. »Wenn ihr beide so dicke Spezis wart, warum hast du dich dann in den letzten paar Jahren so gut wie nie hier bei uns blicken lassen? Was ich so gehört habe, soll Josef ziemlich darunter gelitten haben, dass du ihm die Freundschaft gekündigt hast.«
    Damit hatte Morell genau ins Schwarze getroffen und Lorentz’ wunden Punkt erwischt. Der wusste überhaupt nicht, was er darauf antworten sollte, und starrte den Chefinspektor fassungslos an. Er wartete darauf, dass Morell noch etwas sagen würde, als der aber schwieg, stand Lorentz auf, ging zur Tür und ließ sie mit einem beleidigten »Na, dann halt nicht!« hinter sich zufallen.
    Morell schüttelte den Kopf. War denn die ganze Welt verrückt geworden? Er machte sich einen Kamillentee und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu.

»Da entsprangen ihm zwölf Quellen:
so kannte jeder Stamm seinen Trinkplatz.«
    Koran, Die Höhen (Al-Araf) 160
    Es war schon recht spät,

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