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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Nabel.‹
    »Und was stellen die Einritzungen dar?«
    Wieder Papierrascheln. »Ich finde keine Aufzeichnung darüber, aber ich habe ein Foto des Opfers hier. Moment, ich hole meine Brille.« Eine kurze Pause. »Sieht irgendwie aus wie ein großes I und ein V.«
    »Wie eine römische Zahl?«
    »Möglich.«
    Ich traue meinen Ohren kaum. »Gab es einen Grund, warum diese Information nicht in VICAP eingegeben wurde?«
    »Wir haben hier erst 2001 angefangen, VICAP zu benutzen, und bis jetzt sind noch keine Archivdaten gespeichert. Zu wenig Personal und Geld, das kennen Sie ja wahrscheinlich selbst.«
    »Können Sie das Foto scannen und mir mailen?«
    »Sicher. Wie lautet denn Ihre E-Mail-Adresse?«
    Ich nenne sie ihm und lege auf. Am liebsten würde ich sofort John anrufen, doch das scheint mir verfrüht. Bis jetzt habe ich nichts weiter als einen Verdacht begründende Sachverhalte. Man könnte meine Verdächtigung Detricks als den Versuch einer verbitterten, wütenden ehemaligen Polizeichefin auslegen, ihrem Nachfolger eins auszuwischen. Ich brauche mehr Beweise, bevor ich andere Leute involviere. Zudem bin ich nicht einmal selbst davon überzeugt, mit Detrick richtig zu liegen. Wenn ich jetzt voreilig handele, kann die ganze Sache für mich zum Boumerang werden.
    Also setze ich mich wieder an den Laptop und bringe alle Informationen, die ich übers Telefon und Internet erhalten habe, in einen zeitlichen Rahmen. Vom Februar 1980 bis Dezember 1985 arbeitete Detrick als Jagdführer bei Yukon Hunting Tours. Alle drei Morde in Fairbanks geschahen in diesem Zeitraum. Anfang 1986 zog er nach Dayton, Ohio, wo er bei der Polizei anfing und bis 1990 als Streifenpolizist eingesetzt war. Die Morde in Kentucky und Indiana ereigneten sich in der Zeit, als er in Dayton wohnte. Nach meiner Rechnung waren Lucinda Ramos das vierte Opfer und Jessie Watkins das fünfte. 1990 bekam er bei der Polizei von Holmes County einen Job als Deputy und siedelte nach Millersburg um; jetzt begannen die sogenannten
Schlächter
-Morde. Zu der Zeit tötete er vier Frauen, Opfer sechs bis neun. 1994 verkaufte er sein Haus und zog nach Columbus, wo er bis 2005 blieb und zum Detective befördert wurde. In diesem Zeitraum bin ich noch auf keine ähnlichen Morde gestoßen, habe allerdings auch noch nicht genau recherchiert. 2006 kam er zurück nach Painters Mill, kandidierte als Sheriff und errang einen erdrutschartigen Sieg. Die kürzlichen Morde begannen mit Opfer Nummer zweiundzwanzig. Mir fehlen zwölf Opfer aus der Zeit, als er in Columbus gelebt und gearbeitet hat. Davon abgesehen, passt der Zeitablauf wie O. J. Simpsons blutiger Handschuh.
    In dem Moment klingelt das Telefon und ich schrecke hoch. »Hallo?«
    »Chief«, höre ich Mona mit gedämpfter, dringlicher Stimme sagen. »Sie sollten wohl besser herkommen.«
    Es ist fast Mitternacht. Ihrem Ton nach zu schließen gibt es schlechte Neuigkeiten. »Was ist passiert?«
    »Jonas Hershberger hat gerade versucht, sich aufzuhängen.«

32. Kapitel
    Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
    Oder so ähnlich heißt es in der Bibel in Bezug auf die Hölle.
    Wären mir in jungen Jahren nicht jene konservativen Moralvorstellungen eingeimpft worden, hätte ich die Geschichte von Jonas Hershbergers Selbstmordversuch vielleicht geglaubt. Aber so ist es mir unmöglich. Die Amischen sind nämlich der Überzeugung, dass sie ihr Leben so leben müssen, wie Jesus es gelebt hat. Vergebung und Demut sind Teil dieses Glaubens. Selbstmord passiert, kommt aber selten vor – und ist die Sünde, für die es keine Vergebung gibt.
    Ich parke neben Monas Escort und erlöse meine Scheibenwischer von dem aussichtslosen Kampf gegen den Schnee. Pickles’ alter Chrysler sowie ein Dienstwagen stehen da, doch Glocks Auto glänzt durch Abwesenheit. Im Laufschritt erreiche ich die Tür des Polizeireviers, das ich mit Schnee im Gefolge betrete. Mona steht mit dem Headset auf dem Kopf bei der Telefonanlage. »Was ist passiert?«, frage ich.
    »Jonas hat versucht, sich aufzuhängen. Detrick und Pickles sind unten bei ihm.«
    »Ist er okay?«
    »Ich glaube schon. Er ist bei Bewusstsein.«
    »Rufen Sie einen Krankenwagen.« Ich laufe nach hinten zum Flur und nehme immer zwei Stufen auf einmal hinunter ins Kellergeschoss. Das Gefängnis ist klein und veraltet, mit zwei knapp vier Quadratmeter großen Zellen und einem winzigen Wärterbereich. Als ich unten ankomme, beugen sich Detrick und Pickles gerade über Jonas, der auf

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