Die Zahlen Der Toten
doch als er sich Brower nähert, wirkt er wütend.
Er tastet ihn schnell ab, dann durchsucht er seine Taschen und zieht ein Plastiktütchen heraus. »Sieht aus wie Methamphetamin.« T. J. hält die Tüte hoch.
Ich sehe Brower in die Augen. »Hätten Sie einfach nur unsere Fragen beantwortet und sich nicht wie ein Idiot aufgeführt, hätten wir das Zeug hier wahrscheinlich nie gefunden.«
»Ich will meinen Anwalt anrufen«, sagt er.
»Sie werden mehr als einen Anwalt brauchen, um da wieder rauszukommen.« Ich blicke auf das Taschentuch in meiner Hand und sehe erleichtert, dass die Nase nicht mehr blutet. »Lesen Sie ihm seine Rechte vor, buchten Sie ihn ein – Besitz unerlaubter Substanzen; Absicht, sie zu veräußern; tätlicher Angriff auf eine Polizistin; Versuch, sich der Verhaftung zu entziehen. Ich rufe an, wenn mir noch mehr einfällt.«
»Schlampe«, faucht Brower.
Glock gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Halt den Mund, Loser.«
Ich lächele. »Ach ja, und lassen Sie ihn den Anruf machen.«
»Wahrscheinlich will er mit seiner Mami sprechen«, murmelt Glock.
T. J. kommt auf mich zu, wobei er betroffen das Blut auf meiner Jacke anstarrt. Ich weiß nicht warum, aber die Besorgnis in seinem Gesicht ist mir peinlich. »Ich bin okay«, sage ich barsch.
»Es ist nur, weil … äh …« Er läuft rot an.
Ein Blick an mir hinunter verrät mir, dass meine Bluse aufklafft und der BH zu sehen ist. Ein rotes Spitzenteil, das ich aus einer Laune heraus im Katalog bestellt hatte. Schnell knöpfe ich die Uniformbluse zu und ziehe den Jackenreißverschluss bis unters Kinn. »Danke.«
T. J. hält das Plastiktütchen hoch. »Ich fahre ins Revier, mache hiervon einen Vermerk im Dienstbuch und schicke es ans BCI .«
»Sind Sie mit den Kondomen schon weitergekommen?«
»Hab den Namen des Typs, der bar bezahlt hat.« Wieder ganz Polizist, holt er seinen Notizblock aus der Tasche. »Patrick Ewell. Wohnt in der Parkersburg Road.«
»Das ist nicht weit weg vom Fundort der Leiche.«
»Ist mir auch gleich aufgefallen.«
Mein Herz schlägt schneller, eine andere Adrenalinwirkung als vorhin. »Wenn Sie im Revier sind, finden Sie raus, ob er eine Akte hat und ob es irgendeine Verbindung zwischen Ewell und Amanda Horner gibt. Überprüfen Sie, ob er Samstagabend im Brass Rail war.« Das ist viel für T. J., aber ich habe andere Dinge zu tun und Zeit ist ein wichtiger Faktor.
»Wird gemacht, Chief.« Er macht sich auf zur Tür.
In dem Moment entdecke ich Pickles neben dem Fenster. Er raucht eine Zigarette und beobachtet die Szene mit dem gelangweilten Ausdruck eines altgedienten Cops, dem nichts mehr fremd ist. Ich frage mich, wie mehr als die Hälfte meines kleinen Teams so schnell herkommen konnte.
Ich gehe auf ihn zu. Er nimmt Blickkontakt mit mir auf, rührt sich aber nicht vom Fleck. Er ist ein kleiner Mann – nicht viel größer als ein Meter fünfzig –, hat gräuliche Haare und einen Ein-Tage-Bart. Seine Augen haben die Farbe von Wanderdrosseleiern und sein Gesicht ist von tiefen Falten durchzogen. In dem altmodischen Trenchcoat und den spitzen Cowboystiefeln sieht er aus wie eine Mischung aus
Columbo
und Gus aus
Der Ruf des Adlers.
Ich halte ihm die Hand hin, und er schüttelt sie. »Schön, dass Sie wieder da sind, Pickles.«
Er zieht an der Zigarette, dann schnippt er sie auf den Boden, doch das kurze Aufleuchten in seinen Augen entgeht mir nicht. »Ruhestand ist was für alte Leute.«
»Hat man Ihnen schon alle Informationen gegeben, die wir über den Mord haben?«
Er nickt, sein Gesicht ist ernst. »Wirklich bestialisch, was dem jungen Mädchen passiert ist. Genau wie damals. Kaum zu glauben.«
»Hatten Sie in den Neunzigern viel mit dem Fall zu tun?«
»Eher wenig. Einen Fundort hab ich gesehen. Einfach grauenhaft, kann ich nur sagen. Ich hab nie wieder so gekotzt.«
»Was hat man denn allgemein so geglaubt?« Pickles ist klug genug zu wissen, dass ich nur an Informationen interessiert bin, die nicht in den Akten stehen. Nicht verifizierbare Verdachtsmomente oder Intuitionen. Man weiß nie, wo solche Dinge hinführen.
»McCoy war sich immer sicher, dass der Typ im Schlachthof arbeitet, also direkt vor unserer Nase. Diese Mädchen waren geschlachtet worden wie Vieh.«
Meine Nase fängt an zu schmerzen, doch ich widerstehe der Versuchung, sie zu berühren.
»Rufen Sie J. R. Purdue von Honey Cut Meat an und lassen Sie sich eine Liste der Leute geben, die in der Schlachterei und im
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