Die Zahlen Der Toten
niederwerfe, die Knie in seinen Rücken ramme und ihm Handschellen anlege. Aber ich habe schon genug Verfolgungsjagden hinter mir, um zu wissen, dass so was nie nach Plan läuft.
Nach fünfzehn Metern teilt sich die Gasse. Brower wendet sich nach rechts. Ich laviere mich zwischen Mülltonnen durch und hole weitere drei Meter auf. »Stehen bleiben!«, schreie ich.
Er rennt weiter.
Noch vier Meter und ich bin nahe genug, um ihn zu packen. Mein Herz hämmert. Adrenalin rauscht wie eine Propellermaschine in meinen Ohren. Er rutscht mit dem linken Fuß aus, wird langsamer. Ich hechte auf ihn, schlinge die Arme um seine Hüften und bohre meine Schulter in seinen Rücken.
Ein undeutlicher Laut entweicht seinem Mund. Im Fallen macht er eine Drehung und packt mich so hart bei den Schultern, dass ich bestimmt blaue Flecken kriege. Seine Finger umschließen mich wie ein Schraubstock. »Lass verdammt noch mal los, du amische Schlampe.«
Wir knallen auf den Boden und schlittern über den Schnee. Der Aufprall nimmt mir den Atem, ich habe Schnee in Augen und Mund. Instinktiv und blind schaffe ich es auf die Knie, ziehe den Schlagstock aus der Schlinge und hole aus. Doch ich bin zu langsam. Sein Schlag trifft mich voll ins Gesicht, meine Nase macht Bekanntschaft mit seiner hammerharten Faust, mein Kopf dröhnt höllisch und kippt nach hinten, Brower entgleitet mir.
Mein Schlagstock schnellt pfeifend durch die Luft und landet auf seinem Schenkel. »Bullenschlampe«, knurrt er wie ein Tier und holt aus zum nächsten Schlag, den ich mit hochgehaltenem Knüppel erwarte.
Glock kommt von der Seite wie ein 40 -Tonner, der einen Käfer niederwalzt. Ich robbe aus der Kampfzone. Schnee fliegt. Ein sehr unmännlicher Schrei durchschneidet die Luft. Mit dem Geschick eines Schwergewicht-Wrestlers dreht Glock Brower auf den Bauch, stößt ihm die Knie in den Rücken und packt sein Handgelenk.
»Hör auf, dich zu wehren!«, schreit Glock.
Ich blinzele die Tränenreste vom Schlag auf die Nase weg, krieche mit den Handschellen in der Faust zu den Männern und lasse sie um Browers Handgelenke zuschnappen.
Auf seinem Rücken ist Blut. Als mir klar wird, dass es meins ist, wische ich mit dem Ärmel über meine Nase und stelle entsetzt fest, dass sie leckt wie ein kaputtes Rohr.
»Alles okay, Chief?«
Ich blicke auf den Boden. Blut tropft in den Schnee. Ich nehme wieder den Ärmel, verschmiere aber alles nur noch schlimmer. »Sobald ich meine Augäpfel wiedergefunden habe, lasse ich Sie’s wissen.«
»Ich hab ihn fest im Griff, Sie können sich um Ihr Nasenbluten kümmern.«
Weil ich feuchte Augen habe und nicht will, dass er das falsch interpretiert, stapfe ich zurück zur Werkstatt. Hinter mir höre ich, wie Glock Brower befiehlt aufzustehen.
Blut läuft mir in den Mund, ich spucke es vor der Werkstatt aus. Drinnen sehe ich mich nach etwas um, womit ich das Blut stillen kann, und entdecke einen Papierhandtuchhalter mit blauen, groben Papiertüchern. Ich ziehe ein paar raus und drücke damit die Nasenlöcher zusammen.
»Du meine Güte, Chief, Sie sehen aus, als wären Sie gerade Mike Tyson in die Quere gekommen.«
Das ist T. J., der da in der Tür steht.
»Yeah, Sie sollten erst mal den anderen sehen«, murmele ich. »Was machen Sie hier?«
»Glock hat per Funk Hilfe angefordert.« T. J. tritt zu mir, zieht ein Taschentuch aus der Hose und hält es mir hin. »Hier, nehmen Sie.«
»Das können Sie hinterher wegschmeißen.«
»Ich hab noch mehr davon. Meine Mutter schenkt mir jede Weihnachten neue.«
Ich werfe die blutigen Papiertücher in den Mülleimer und halte mir das Taschentuch unter die Nase. »Danke.«
Glock und Brower kommen durch die Hintertür herein. Eine birnengroße Schürfwunde ziert Browers Stirn. Seine Haare sind nass vom Schnee. Er guckt wie ein Pitbull, der gerade von einer Horde wilder Zwergpinscher die Hucke vollgekriegt hat.
Glock stößt ihn vorwärts. »Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man Mädchen nicht schlägt?«
Der Akne-Mann steht bei der Tür und reckt den Hals, um uns besser sehen zu können. »Hat der Scheißkerl etwa ’ne Polizistin geschlagen?«
Ich habe mich wieder im Griff, gehe zu den beiden Männern rüber und sehe Brower in die Augen. »Wollen Sie uns sagen, warum Sie weggerannt sind?«
»Ich scheiß dir was.«
»Egal, ins Gefängnis kommen Sie sowieso.« Ich sehe T. J. an. »Durchsuchen und dann ab mit ihm, okay?«
»Mit Vergnügen.« T. J. ist normalerweise ziemlich gelassen,
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