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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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zwar in meine Richtung, doch schnell wieder weg. Norm nimmt mich erst gar nicht wahr. Ich ziehe die Jacke aus, hänge sie über den Klappstuhl und versuche, mich zu beruhigen.
    »Es geht los«, sagt Norm.
    Wir betreten die Bühne als einträchtiges Team, doch während die Blitzlichter und grellen Lampen meine Augen malträtieren, frage ich mich, wie lange unsere fragile Demonstration von Geschlossenheit wohl halten wird. Dieser Fall ist geeignet, auch die beste Beziehung einer Zerreißprobe auszusetzen, und meine Beziehung zu Bürgermeister und Stadtrat ist nicht einmal gut.
    Wir gehen zu dem Tisch hinter dem Stehpult. Das warme Blitzlichtgewitter hier drinnen steht im scharfen Kontrast zu der dunklen Kälte draußen. Auggie tritt an das Stehpult und klopft mit dem Finger ans Mikrophon. »Können Sie mich hören?«
    Die Presseleute antworten mit Ja-Rufen und Kopfnicken.
    Der Bürgermeister wendet sich mir zu. »Chief of Police Kate Burkholder«, stellt er mich vor.
    Ich gehe zum Stehpult, lasse den Blick über die vielen Gesichter schweifen und spüre die Verantwortung gegenüber diesen Menschen, denen zu dienen und die zu schützen ich geschworen habe. In diesem Moment hoffe ich inständig, meinem Diensteid Genüge tun zu können, ohne dabei meine Familie zu entehren oder mein eigenes Leben zu zerstören.
    Zunächst fasse ich die wesentlichen Informationen über die Fälle zusammen, wobei ich die Einritzungen auf dem Unterleib der Opfer unerwähnt lasse.
    »Ich möchte Ihnen allen versichern, dass das Sheriffbüro von Holmes County, das Bureau of Criminal Identification and Investigation und die Polizei von Painters Mill rund um die Uhr arbeiten, um den Täter dingfest zu machen. Doch in der Zwischenzeit muss ich alle Bürger um ihre Mithilfe bitten. Ich möchte, dass Sie Ihre Türen abschließen, die Alarmanlagen einschalten und jeden ungewöhnlichen oder verdächtigen Vorgang der Polizei melden, auch wenn er noch so trivial erscheint. Ich bitte Sie ebenfalls, Nachbarschaftswachen einzurichten und Kontakt mit Nachbarn, Familienmitgliedern und Freunden zu halten. Frauen und Mädchen sollten besondere Vorsicht hinsichtlich ihrer eigenen Sicherheit walten lassen und nicht allein ausgehen.«
    Kaum halte ich kurz inne, schlägt mir ein Trommelfeuer von Fragen entgegen.
    Ist es der Schlächter?
    Gibt es einen Verdächtigen?
    Wie wurden die Frauen ermordet?
    Die Aufdringlichkeit der Presseleute ärgert mich. »Einer nach dem anderen«, rufe ich, doch niemand scheint meine Bitte zu hören. Ich sehe Steve Ressler in der ersten Reihe und spreche ihn mit Namen an, wobei ich hoffe, dass das mein schroffes Verhalten im Polizeirevier wiedergutmacht. In so einem frühen Stadium will ich auf keinen Fall die Presse gegen mich aufbringen.
    »Chief Burkholder, haben Sie schon Kontakt mit dem FBI aufgenommen?«
    »Nein.«
    Missbilligendes Gemurmel von allen Seiten.
    »Warum nicht?«
    »Weil wir schon mit dem Bureau of Criminal Identification and Investigation in Columbus zusammenarbeiten.«
    Ein Dutzend Hände schießen in die Luft. Ich zeige auf einen dünnen Mann mit dicker, schwarz gerandeter Brille. »Können Sie uns sagen, wie die Frauen umgebracht wurden?«, fragt er.
    »Laut der vorläufigen Ergebnisse des Coroners wurde beiden Opfern die Kehle durchgeschnitten. Todesursache ist Verbluten.«
    Schock und Angst sorgen für eine momentane Stille. Ich zeige auf einen Mann mit Cincinnati-Reds-Baseballmütze. »Auf die gleiche Weise hat der Schlächter Anfang der neunziger Jahre seine Opfer getötet«, beginnt er. »Ist es derselbe Mann?«
    »Das lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, aber wir sehen uns die alten Akten an.« Ich ignoriere das einsetzende Stimmengewirr und deute auf eine Frau, die ich in den Fernsehnachrichten gesehen habe.
    Die Fragen sind brutal und regnen wie Steine auf mich herab. Die Antworten kosten mich viel Kraft. Ich tue mein Bestes, aber nach zwanzig Minuten Sperrfeuer fühle ich mich ausgelaugt. Noch immer wedeln Hände in der Luft, doch ich habe genug. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss arbeiten.« Beim Verlassen des Stehpults wende ich mich Detrick zu. »Sheriff Detrick?«
    Jetzt müsste ich mich eigentlich zu Auggie und Norm setzen, doch ich war noch nie ein Fan von politischem Kabarett und begebe mich zum Ausgang.
    Hinter mir tönt Detricks Stimme durchs Auditorium. Er strotzt nur so vor Selbstvertrauen und Charisma, und ich weiß, dass die feindlich gesinnten Presseleute ihm in

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