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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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hat. Der Wagen steht auf vier Betonblöcken, die Motorhaube ist offen. An einem Stützbalken lehnen vier Reifen. Weiter hinten steht ein Gartenstuhl neben einem Fünfzigliterfass, auf dem aus einem Radio ein alter Eagles-Song dröhnt. Der als Aschenbecher dienende Aluminiumbehälter quillt über.
    »Schön hier«, sagt Tomasetti.
    »Hier war ich den ganzen Samstagabend.« Starkey zeigt auf den El Camino. »Das ist der Wagen, an dem ich gerade arbeite.«
    »Stehst wohl auf Schrottkarren«, sagt Tomasetti.
    »Das ist kein Schrott, Mann. Das ist ’n Oldtimer.«
    Ich gehe tiefer in die Scheune hinein, sehe mich nach einem Schneemobil um, suche auch den Erdboden nach Kufenspuren ab, finde nichts. Die Luft riecht nach modriger Erde und Motoröl. In der Ecke entdecke ich eine Wagenplane, gehe hin und ziehe sie runter. Staub wirbelt auf und ein John-Deere-Traktor, Baujahr etwa 1965 , kommt zum Vorschein.
    Ich bin total niedergeschlagen, hatte mir so gewünscht, dass Starkey unser Mann ist. Ein verurteilter Vergewaltiger. Ein Pädophiler. Ein Mann, der auf Pornos steht und wer weiß was sonst noch alles. Aber schon von seiner Statur her kann er nicht derjenige sein, der mich letzte Nacht im Wald angegriffen hat. Außerdem entspricht er nicht Tomasettis Täterprofil. Er ist weder gut organisiert noch intelligent. Sosehr ich den Fall auch lösen will, mein Bauch sagt mir, er ist nicht der Mörder.
    Ich gehe zurück zu den Männern und zeige auf Starkey. »Verlassen Sie nicht die Stadt.«
    »Ich bin auf Bewährung draußen. Was glauben Sie denn? Dass ich ’nen Urlaub auf Hawaii plane?«
    »Gehen wir«, sage ich und mache mich auf zum Tor.
    Ich erreiche den Tahoe vor Tomasetti und setze mich rein. In dem vergleichsweise warmen Innenraum überkommt mich eine so große Müdigkeit, als hätte ich eine Woche lang nicht geschlafen, und mein Schädel wird von einem dumpfen Schmerz malträtiert.
    Tomasetti lenkt den Wagen aus der Einfahrt und fährt Richtung Stadt. Ich starre aus dem Fenster auf die öde Landschaft hinaus und kämpfe dagegen an, von der Wärme und dem leisen Summen der Heizung in den Schlaf gewiegt zu werden.
    »Er ist nicht unser Mann«, sagt Tomasetti, ohne mich anzusehen.
    »Ich weiß.«
    »Die meisten Serienmörder haben einen überdurchschnittlichen IQ .«
    »Was Starkey eliminiert.« Ich starre Tomasetti an. »Wenn Sie wieder einmal Dirty Harry spielen wollen, dann bitte nicht im Dienst, okay?«
    Er wirkt beleidigt. »Sie sind diejenige, die ihn geschlagen hat.«
    »Ein Klaps auf die Backe, damit er mir zuhört.«
    »Sie haben die Stuhlbeine unter ihm weggetreten.« Er zuckt die Schultern, konzentriert sich wieder auf die Straße. »Ich war beeindruckt.«
    Gegen meinen Willen muss ich grinsen. Unter anderen Umständen hätte ich Tomasetti vielleicht gemocht. Ich bin zwar nicht mit seiner Taktik einverstanden, aber da drinnen hat er mich beschützt. Doch bevor ich weiter analysieren kann, biegt er plötzlich auf den Parkplatz von McNarie’s Bar, eines der beiden Lokale in Painters Mill, wo Alkohol ausgeschenkt wird. Es hat Barhocker mit rotem Kunststoffbezug, ein halbes Dutzend Nischen und eine Jukebox von 1978 , in der die Platten noch nie ausgetauscht wurden.
    »Was zum Teufel soll das?«
    »Ich brauche einen Drink.« Er stößt die Tür auf und steigt aus.
    »Einen
Drink?«
    Er schlägt die Tür zu.
    Ich steige ebenfalls aus. »Es ist zehn Uhr morgens. Wir müssen arbeiten.«
    Im Gehen wirft er einen Blick auf seine Uhr. Er macht so große Schritte, dass ich nur joggend mithalten kann. »Verdammt noch mal, John, wir müssen zurück aufs Revier.«
    »Es dauert nicht lange.«
    Ich bleibe neben einem rostigen Toyota Pick-up stehen und sehe zu, wie er im Pub verschwindet. Der Parkplatz ist fast leer und ich bin dermaßen sauer, dass ich weder die Kälte spüre noch die Wolken bemerke, die sich im Westen zusammenballen.
    »Starkey hat recht«, murmele ich und gehe zur Tür. »Er ist ein Arschloch.«

21. Kapitel
    Corina Srinvassen wollte endlich raus aufs Eis. Sie ging in die achte Klasse und hatte schon den ganzen Morgen davon geträumt, während des Geschichtsunterrichts, des Englischunterrichts, der Gesundheitserziehung bei Mr Trump, wo sie über Geschlechtskrankheiten gesprochen hatten, beim Mittagessen mit Lori Jones und in der Stillarbeitsstunde unter den Adleraugen von Mrs Filloon, die alle nur böse Hexe nannten.
    Als dann um fünfzehn Uhr zwanzig endlich die Schulglocke ertönte, war sie praktisch schon

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