Die Zahlen Der Toten
wirklich der Letzte, den ich dabeihaben will. Ich muss mit Glock unter vier Augen reden, ob er schon irgendwas über Daniel Lapp herausgefunden hat. »Nicht nötig, ich hab schon jemanden.«
Er starrt mich mit unergründlichem Gesicht an. »Sie mögen mich wohl nicht besonders, was?«
»Mögen hat nichts damit zu tun.«
»Dann muss es Ihre Abneigung gegen Unterstützung durch andere Behörden sein.«
Ich würde ihn am liebsten anblaffen, aber zu viele Leute stehen um uns herum. »Glock kennt Starkey, also kommt er mit.«
»Ich habe ein Täterprofil erstellt. Ich weiß, wonach wir suchen. Wenn Sie den Mörder wirklich fassen wollen, schlage ich vor, Sie nutzen meine Hilfsangebote.«
Es liegt so viel Spannung in der Luft, dass man eine Glühbirne zum Leuchten bringen könnte. Ich muss gar nicht erst um mich blicken, um zu wissen, dass alle Augen auf uns gerichtet sind. Zwar kommt es in Fällen mit hohem Stressfaktor häufig zu zwischenmenschlichen Konflikten, besonders wenn mehrere Behörden zusammenarbeiten, aber ich will nicht als Polizeichefin dastehen, die wegen Zuständigkeitsquerelen einen Fall gefährdet. Ich habe schon vor langem gelernt, meine Schlachten mit Bedacht zu wählen. Und diese hier kämpfe ich besser nicht.
»Sie fahren«, sage ich und gehe zur Tür.
· · ·
Dwayne Starkey wohnt auf einer kleinen Farm umgeben von sanft geschwungenen Hügeln und hohen, nackten Bäumen. Früher war das Haus sicher einmal hübsch gewesen, doch als Tomasetti jetzt darauf zufährt, bemerke ich, dass sich an vielen Stellen der Putz ablöst und das Dach durchhängt. Hinter dem Haus steht ein alter blauer Pick-up.
»Sieht aus, als ob er zu Hause ist«, sagt Tomasetti.
»Behalten Sie die Tür im Auge.«
Er parkt den Tahoe ein paar Meter hinter dem Pick-up und blockiert so den Weg, falls Starkey einen schnellen Abgang machen will.
»Sollten wir uns nicht zuerst einen Durchsuchungsbeschluss besorgen?«, frage ich.
»Man braucht keinen Durchsuchungsbeschluss, um mit jemandem zu reden.«
»Wenn ich ihn für verdächtig halte, will ich mich auf dem Grundstück umsehen.« Ich blicke an dem Haus vorbei zu einer Scheune, die sich wie ein Schiff im arktischen Eis zur Seite neigt. »Ich habe keine Lust, einen Formfehler zu machen. Wenn er unser Mann ist, tötet er hier vielleicht seine Opfer.«
»Wenn er uns komisch vorkommt, besorgen wir uns einen Durchsuchungsbeschluss.«
Ich blicke zur Hintertür und sehe gerade noch, wie sich die Gardine bewegt. »Er hat uns bemerkt.«
»Ich übernehme die Eingangstür«, sagt Tomasetti.
Beim Verlassen des Wagens schlägt mir eiskalte Luft entgegen. Der Gehsteig ist nicht freigeschaufelt, und ich stapfe durch knöchelhohen Schnee. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich Tomasetti ums Haus herum zur Eingangstür gehen. Mit dem Daumen schnipse ich den Druckknopf des Holsters auf, als ich die Hintertür erreiche. Die obere Hälfte ist aus Glas und hat einen Sprung in der Mitte, der mit Isolierband zugeklebt ist. Die schmutzigen blauen Gardinen sind einen Spalt breit offen und gewähren einen Blick auf Küchenschränke und einen alten Kühlschrank aus den siebziger Jahren.
Ich klopfe an das Glas. »Dwayne Starkey! Ich bin Kate Burkholder von der Polizei in Painters Mill. Machen Sie auf.«
Ich warte dreißig Sekunden und klopfe noch einmal, fester. »Machen Sie schon, Dwayne, ich weiß, dass Sie da sind. Öffnen Sie die Tür.«
Die Tür wird aufgerissen, ein leicht unangenehmer Geruch weht mir entgegen, und ich sehe mich einem kleinen Mann mit fettigen Haaren, Geheimratsecken und einem senffarbenen Schnauzer gegenüber.
»Dwayne Starkey?«
»Wen interessiert das?«
»Kate Burkholder. Polizeirevier Painters Mill.« Die rechte Hand auf der Waffe, hole ich mit der linken meine Dienstmarke hervor und halte sie ihm hin. Er starrt sie so lange an, dass ich mich frage, ob er lesen kann. »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Geht es um die tote Frau?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Er lacht höhnisch auf. »Ich weiß doch, wie ihr Bullen denkt«, sagt er mit zigarettenrauer Stimme. »Wenn irgendwas passiert, wollt ihr es dem erstbesten Knacki anhängen, den ihr in die Finger kriegt.«
»Ich will Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
Er ist unsicher, was er tun soll. »Haben Sie ’nen Durchsuchungsbeschluss?«
»Ich kann in zehn Minuten einen kriegen, wenn Sie darauf bestehen. Es ginge schneller, wenn Sie einfach die Tür aufmachen und mit mir reden.«
»Ohne meinen Anwalt sag
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