Die Zahlen Der Toten
ich gar nichts.«
Eine vertraute Baritonstimme ertönt hinter Starkey. »Wenn Sie nichts getan haben, brauchen Sie auch keinen Anwalt.«
Tomasetti steht im Flur hinter Starkey. Ich will ihn fragen, was zum Teufel er da macht, doch Starkey kommt mir zuvor.
»Wer verdammt noch mal sind Sie denn? Und was suchen Sie in meinem Haus?«
»Ich bin der gute Cop, Dwayne, und ich schlage vor, Sie benehmen sich nicht länger wie ein Arschloch und beantworten Chief Burkholders Fragen. Glauben Sie mir, ich würde mich nicht mit ihr anlegen.«
Starkey sieht mich an. »Wie zum Teufel ist er in mein Haus gekommen?«
Da ich mich das auch frage, verzichte ich auf eine Antwort. »Dwayne«, sage ich stattdessen, »wir wollen nur ein paar Minuten mit Ihnen reden.«
Starkey macht einen Schritt zurück. Seine Hose ist schmutzig, sein Hemd voller alter Schweißränder. Er sieht aus, als wolle er abhauen, und ich blicke auf seine Füße, die in dreckigen weißen Socken stecken. Selbst wenn er es nach draußen schafft, wird er nicht weit kommen.
Ich stoße die Tür auf und trete in den Vorraum, der so riecht, wie Starkey aussieht: eine unangenehme Mischung aus Katzenscheiße, Körpergeruch und Zigarettenrauch.
Starkeys Blick wandert von mir zu Tomasetti und wieder zu mir. »Ich kenne meine Rechte, versuchen Sie also keinen Scheiß.«
»Sie haben das Recht, sich auf Ihren Hintern zu setzen.« Tomasetti fasst ihn am Genick, schiebt ihn in die Küche und drückt ihn auf einen Stuhl.
»He!«, beschwert sich Starkey. »Das dürfen Sie nicht!«
»Ich will Ihnen nur zeigen, wie sehr wir Ihre Kooperation zu schätzen wissen.«
Ich betrete die Küche. Der Gestank nach vergammelten Lebensmitteln und nach Tierkot trifft mich wie eine Faust. Ich gehe zu Starkey, wobei ich gut aufpasse, wo ich hintrete. Die fette Katze oben auf dem 70 er-Jahre-Kühlschrank lässt mich nicht aus den Augen.
»Arbeiten Sie noch im Schlachthof, Dwayne?«, frage ich.
»Hab noch nie einen Tag gefehlt.«
»Was machen Sie dort?«
»Also, ich hab da ’ne saubere Akte.« Er zeigt auf Tomasetti. »Ich will nicht, dass ihr Cops mir da was versaut.«
Tomasetti schlägt die Hand weg. »Beantworten Sie die Frage.«
»Ich bin der Stecher.«
»Was macht ein Stecher?«, frage ich.
»Er sticht das Tier in den Hals, wenn es betäubt ist.«
»Sie durchschneiden ihm die Kehle?«
»So kann man es vermutlich sagen.«
»Machen Sie das gern?«, fragt Tomasetti.
»Der Job bezahlt meine Rechnungen.«
Etwas knirscht unter Tomasettis Schuhen, als er Richtung Wohnzimmer geht. »Muss man das in der Schule lernen?«
Starkey starrt ihm böse hinterher. »Fick dich.«
»Dwayne«, fahre ich ihn an. »Hören Sie auf.«
Er sieht mich an, als wäre ich begriffsstutzig. »Der Typ ist ein Arschloch.«
»Ich weiß.« Mir ist klar, dass Tomasetti sich im Wohnzimmer umsieht, doch ich lasse Starkey nicht aus den Augen. »Wo waren Sie Samstagabend?«
»Weiß ich nicht mehr.« Er scheint in Gedanken bei Tomasetti zu sein, und ich frage mich, ob er was zu verbergen hat.
Zum ersten Mal spüre ich Wut in mir aufkommen. Zwei Frauen sind tot, und dieser kleine Dreckskerl macht es uns so schwer wie möglich. Ich beuge mich zu ihm vor und wische ihm eine. Schon habe ich seine Aufmerksamkeit.
»Sie dürfen mich nicht schlagen.«
»Dann hören Sie mir zu, wenn ich mit Ihnen rede. Wo waren Sie am Samstagabend?«
»Ich war hier. Hab das Getriebe vom El Camino zusammengebaut.«
»War jemand bei Ihnen?«
»Nein.«
»Waren Sie die ganze Nacht hier?«
»Yeah.«
»Waren Sie schon mal im Brass Rail?«
»Alle waren schon mal im Brass Rail.«
»Wann waren Sie das letzte Mal da?«
»Keine Ahnung. Vor ’ner Woche.« Er runzelt die Stirn. »Sonntag vor ’ner Woche.«
»Wie gut kannten Sie Amanda Horner?«
»Ich kenne keine Amanda Horner.« Er wird nervös, fängt an, die Sache ernst zu nehmen. »Ihr könnt mir doch keinen Mord anhängen. Ich war’s nicht.«
»Vor vierzehn Jahren haben Sie eine Frau vergewaltigt.«
»Das kleine Miststück hat mich angelogen, Mann.«
Wut kocht in mir hoch, und bevor mir klar wird, was ich mache, klebe ich ihm wieder eine. »Passen Sie auf, was Sie sagen.«
Er reibt sich die Wange. »Die Kleine hat mich doch total angemacht. War betrunken und zugekokst. Sie hat’s gewollt.«
»Sie war zwölf.«
»Das hab ich nicht gewusst, ich schwör’s. Sie hat wie ’ne erwachsene Frau ausgesehen. Solche Titten.« Er hält die Hände dreißig Zentimeter vor sich.
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