Die Zarentochter
mehr nicht.«
»Von wegen«, erwiderte Hackländer. »Das Schlosstheater, das ich für unseren Prinzen eingerichtet habe, ist zwar klein, dafür aber mit der neuesten Bühnentechnik ausgestattet. Und die Theaterstücke, die wir einüben, sind keinesfalls banal oder alltäglich. Vielmehr würde ich sie als anspruchsvoll bezeichnen und –«
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche«, fuhr Olly dazwischen. Die entsetzten Blicke, die die Zarin und Anna ihr wegen dieser Unhöflichkeit zuwarfen, ignorierte sie und sagte: »Aber vielleicht möchte der Prinz uns seine Eindrücke selbst mitteilen? Schließlich ist es ja sein Theater, nicht wahr?«
Karl, der sich gerade ein weiteres Stück Kuchen genommen hatte, schaute Olly skeptisch an. »Ich will Sie aber keinesfalls langweilen.«
Olly lachte. Als ob sich darum je ein Mann geschert hätte! Wenn sie nur an die langatmigen Beschreibungen bayerischer Landschaften des Prinzen Max von Bayern dachte. Oder an Erzherzog Albrechts Ausführungen über seine geschäftlichen Transaktionen – damals war sie wirklich vor Langeweile fast gestorben.
»Ich höre Ihnen wirklich sehr gern zu«, sagte sie aufrichtig.
Mehr brauchte es nicht. Glücklich, über eines seiner Lieblingsthemen sprechen zu können, legte Karl los, während Hackländer schmollend danebensaß.
Olly hörte angeregt zu.
»Und? Wie findest du ihn?«, fragten die Zarin und Anna wie aus einem Mund, kaum dass die Tür am frühen Abend hinter den Gästen ins Schloss gefallen war. In ihren Augen mischten sich Interesse, Hoffnung und auch ein Hauch Verzweiflung.
Olly seufzte. Die Frage hatte ja kommen müssen. Was wollten sie von ihr hören? Dass sie hellauf begeistert war? Dass sie Karl am liebsten heute noch geheiratet hätte?
Sie fand ihn nett. Sehr nett sogar. Karl schien sein Herz am rechten Fleck zu haben. Dass er vorhatte, bei seinen Vorführungen im SchlosstheaterEintrittsgelder zu verlangen, um diese mildtätigen Zwecken zu spenden, hielt sie für eine grandiose Idee. Ob so etwas wohl auch bei Konzerten möglich wäre, hatte sie von ihm wissen wollen. Und angefügt, dass sie ganz manierlich Klavier spielte. War um war ihr bisher solch ein toller Einfall nicht gekommen? Wo die Armenhäuser St. Peterburgs doch jede Geldspende so bitter nötig hatten.
Jetzt zuckte sie mit den Schultern und sagte so neutral wie möglich:
»Er scheint ein sehr ungewöhnlicher Mann zu sein.«
Am nächsten Tag empfing die Zarin zu einem Diner im Kreis der Familie. Außer Olly, ihren Eltern und Anna war nur noch Karl anwesend, Hackländer und von Spitzemberg waren nicht eingeladen worden.
Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Sizilien regnete es, die Außenwände der Villa waren nass und fleckig. Auch die Stimmung im Haus war verändert. Im Licht Dutzender von Kerzen glühten die terrakottafarbenen Wände des Salons rötlich wie ein Kaminfeuer. Die Farben der zarten Blumenaquarelle erschienen intensiver und erinnerten an Ölgemälde. Nun, da die Fenster geschlossen und die Vorhänge vorgezogen waren, konnte man sich fast der Vorstellung hingeben, in einem russischen Palast zu sein und nicht in einer südländischen Villa.
Palermo war auch bei Regen schön, fanden die Bewohner der Villa Olivuzza einstimmig. Karl hingegen bedauerte den Wetterumschwung so kurz nach seiner Ankunft.
Die Zarin hatte ein russisches Menü zusammenstellen lassen. Ob Alexandra einfach nur Sehnsucht nach Kaviar und Blinis hatte oder Karls Reaktion auf die ungewohnten Speisen testen wollte, wusste Olly nicht. Falls Letzteres zutraf, bestand Karl den Test mit Bravour. Schmunzelnd beobachtete sie, wie er mit gutem Appetit den Ka viarhäppchen zusprach.
Das Gespräch war zwar nicht so unterhaltsam und fröhlich wie am Vortag, dafür nahm Karl entschieden mehr Anteil. Was für eine guteIdee von Mutter, den redseligen Sekretär nicht einzuladen, dachte Olly bei sich, während Karl angeregt von seinen Berliner Studienjahren erzählte.
»Ich hatte das Glück, mit etlichen Künstlern Freundschaft zu schließen«, erklärte er ihrer Mutter gerade. »Unter anderem bin ich im Haus von Bettina von Arnim ein und aus gegangen. Sie und ihre Tochter Armgard sind reizende Damen.«
Armgard. Der Name war nun schon öfter gefallen. Hatte es hier romantische Verstrickungen gegeben? War deshalb aus ihrer Cousine Luise und Karl kein Paar geworden?
Je länger Olly Karl zuhörte und ihn unauffällig beobachtete, desto mehr erinnerte er sie an Kosty, stellte sie erstaunt fest.
Weitere Kostenlose Bücher