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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Beide jungen Männer machten auf den ersten Blick einen robusten Eindruck. Dass sich unter ihrer hart wirkenden Schale ein sehr weicher Kern befand, versuchten sie, so gut es ging, zu verbergen. Oder bildete sie sich das nur ein?, fragte sich Olly, während die zweite Vorspeise aufgetischt wurde.
    Doch es gab auch Unterschiede. Kosty versteckte seine Unsicherheit gern hinter übergroßer Burschikosität, machte derbe Witze – oft auf Kosten anderer – und verletzte die Menschen in seiner Umgebung manchmal, ohne es zu merken.
    Wurde Karl hingegen unsicher, zog er sich eher in Schweigen zurück. Das geschah vor allem, wenn ihn jemand nach seinem Vater fragte. Aber auch als der Zar ihm anbot, seinen Lieblingshengst, den er auf jeder Reise mitführte, zu reiten, hatte er rasch das Thema gewechselt. Ob er wohl einst einen schlimmen Reitunfall erlitten hatte? Der Mann interessierte Olly immer mehr, stellte sie mit Erstaunen fest. Dabei hatte sie eigentlich gedacht, dass sie die Nase von den Männern gestrichen voll hatte. Aber Karl war auf eine ganz besondere Art anders als alle Herren, die sie bisher kennengelernt hatte. Und er wirkte so sanft, als könne er keiner Fliege etwas antun. Karl war kein Mann, der einer Frau das Herz brach, schoss es Olly jäh durch den Sinn.
    »Hört ihr das?«, sagte die Zarin seufzend, als der Regen immer heftiger gegen die Scheiben prasselte. »Hoffentlich durchkreuzt das schlechteWetter nicht Ihre Pläne für die nächsten Tage. Bestimmt haben Sie einige Besichtigungen eingeplant? Der Monte Pellegrino ist sehr empfehlenswert, nicht wahr, Olga?«
    Karl lächelte scheu. »Ich befürchte, die herrliche Landschaft wird warten müssen. In den nächsten Tagen möchte ich mir unbedingt ein paar Villen anschauen, um mich für den Bau meines eigenen italienischen Palazzos inspirieren zu lassen.«
    »Sie haben vor, hier ansässig zu werden?«, fragte Olly erstaunt.
    Der Prinz lachte. »Der württembergische Thronfolger in Italien lebend, da würde mir mein Vater etwas erzählen! Nein, meine italienische Villa soll mitten in Stuttgart stehen, oder besser gesagt auf einem wunderschönen Hügel am Stadtrand. Dort habe ich ein großes Grundstück gekauft, mit herrlicher Aussicht. Mein Freund, der Architekt Christian Friedrich Leins, hat schon erste Pläne für meine städtische Landhausvilla gezeichnet.« Er grinste. »Doch noch erscheinen mir die Zeichnungen ein wenig dürftig. Deshalb ist mir sehr daran gelegen, einige der großen italienischen Vorbilder anzuschauen. Wissen Sie, ich stelle mir vor, dass die Räume einerseits groß und luftig wirken sollen, andererseits aber auch …« Mit weit ausholenden Gesten untermalte der Prinz seine Ausführungen. Wieder röteten sich seine Wangen, diesmal vor lauter Begeisterung und nicht aus Verlegenheit. Seine braunen Augen blitzten, er lachte belustigt, als er im Eifer des Gefechts sein Weinglas umstieß.
    Olly schmunzelte. Karl war wirklich sehr begeisterungsfähig. Auch darin unterschied er sich von den vielen anderen Herren, die immer so blasiert taten, als hätten sie in ihrem Leben schon alles gesehen und erlebt.
    »Ein eigenes Haus, das man vom ersten Strich auf dem Papier bis hin zur letzten Deckenlampe selbst planen kann, das stelle ich mir herrlich vor.« Olly seufzte sehnsüchtig auf. »Zu gern würde ich einmal einen Blick auf Ihre Pläne werfen. Haben Sie auch an einen Wintergarten gedacht? Sie wollen doch ein Stück Italien nach Württemberg bringen, nicht wahr? Also brauchen Sie dringend Zitronenbäume und Bananenstauden. Die Wände würde ich in hellen, sonnigen Farben halten, dafür aber –«
    »Olly,sei bitte nicht so naseweis. Der Prinz wird schon selbst wissen, was nach seinem Gusto ist«, unterbrach ihre Mutter sie lachend. »Sie müssen sich unbedingt unsere Nachbarvillen anschauen«, wandte sie sich dann wieder an ihren Gast. »Bestimmt können Sie hier noch sehr viele Eindrücke sammeln.«
    Karl räusperte sich, die viele Aufmerksamkeit schien ihn verlegen zu machen. »Es ist ja nur ein Haus«, winkte er ab und strich eine Falte in seiner Serviette glatt. Im nächsten Moment schaute er Olly an.
    »Ob Sie mich eventuell auf meiner Besichtigungstour begleiten würden? An der weiblichen Sichtweise wäre mir sehr gelegen.«
    »Sehr gern«, antwortete Olly erfreut. »In den letzten Wochen durften wir einige unserer Nachbarn kennenlernen, bestimmt öffnen sie uns die Tür, wenn ich ihnen sage, zu welchem Zweck wir ihre Häuser

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