Die Zarentochter
kundtat. Und ihr offenbarte, dass ein solcher Mann für seine Tochter nie in Frage kommen würde.
»Leider habt ihr Kinder eure Tante Katharina nie kennengelernt. Ihr früher Tod war solch eine Vergeudung, von uns Geschwistern war sie die Beste – klug, schön und weise schon als Kind.«
Der Zar lächelte versonnen. »Du erinnerst mich an Katharina, weißt du das? Das ist schon immer so gewesen. Wie deine Tante bist auch du zu Höherem bestimmt, davon war ich schon immer überzeugt.«
»Vater, Sie machen mich ganz verlegen«, sagte Olly und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wozu soll ich schon bestimmt sein?«
»Woher rührt das Verächtliche in deiner Stimme, mein Kind? Weißt du etwa immer noch nicht, welche großen Aufgaben und PflichtenGott dir zugeteilt hat? Reicht ein Intrigant wie Metternich aus, um dich in deinem Glauben an ein gütiges Schicksal zu beirren? Vergiss die ganze Geschichte endlich!«
»Das ist leichter gesagt als getan. Abgewiesen zu werden tut ziemlich weh.« Olly wandte ihren Blick zum Fenster, in dessen Scheibe sich das Gesicht ihres Vaters spiegelte. Sie und große Aufgaben und Pflichten, wenn das nicht zum Lachen war!
»Du darfst nicht an dir zweifeln. Für dich ist das Beste gerade gut genug. Ruhm, Reichtum, Macht – es sind immer nur wenige Menschen, die das Rad der Geschichte weiterdrehen, und du gehörst dazu.«
»Aber –«
»Kein Aber, lass deinen alten Vater ausreden. Deine Mutter, Mary, deine Brüder Nisi und Mischa – sie alle sind wertvolle, feine Menschen. Aber ihnen genügt es, im Strom des Lebens mitzuschwimmen. Bei Kosty bin ich mir noch nicht sicher. Bei dir und Sascha hingegen schon, ihr zwei seid wie ich und Katharina. Auch ihr wollt etwas verändern. Ihr seid dazu bestimmt, Menschen zu führen, sie hinzuleiten zu einem besseren, wahrhaftigeren Leben.«
»Etwas für die Armen, Kranken und Siechen zu tun, das war wirklich einmal mein größter Wunsch«, sagte Olly leise. In den letzten Tagen hatte sie immer wieder an die Armenhäuser in St. Petersburg denken müssen. Wer wohl in diesem Jahr die Armenweihnacht übernommen hatte, jetzt, da die Zarin und sie weg waren? Mary vielleicht?
Hilflos hob sie die Arme. »Wünsche, Träume, Hoffnungen – das sind doch alles nur kindische Phantasien. Ich weiß gar nicht mehr, was mir noch wichtig ist. Eigentlich möchte ich nur meine Ruhe haben, mehr nicht.« Auf einmal hätte sie losheulen mögen. Warum musste Karl ausgerechnet jetzt in ihr Leben spazieren? Jetzt, wo ihr Herz noch wund vor Schmerz und Schmach war. Oh, er könnte ihr schon gefallen. Aber das würde sie ihrem Vater gegenüber nicht zugeben. Denn mit einer solchen Äußerung würde sie die große Maschinerie sofort wieder in Gang setzen. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr schwindlig vor Angst. Die Vorstellung, erneut zum Spielballder großen Politik zu werden, war ihr unerträglich. Ihr Vater auf der einen Seite. Karl und dessen Vater auf der anderen. Was, wenn sie wieder abgewiesen wurde? Noch ein solches Drama würde sie nicht überleben.
»Wie traurig du dreinschaust! Willst du nicht wissen, warum ich ausgerechnet heute von Katharina erzählt habe?« Nikolaus lächelte. »Weißt du, dass meine Schwester die erste Frau von Karls Vater war? Katharina hat einst den König von Württemberg geheiratet und in ihrer neuen Heimat so viel Gutes getan, dass man dort heute noch in den höchsten Tönen von ihr spricht. König Wilhelm hat Katharina nach ihrem Tod ein riesengroßes Denkmal errichtet, genau an dem Platz, wo sich früher die Stammburg der Württemberger befand. Sehr beeindruckend, ich habe die Grabkapelle als junger Kerl einmal besucht.«
Was hat das alles mit mir zu tun?, wollte Olly ihren Vater fragen, traute sich aber nicht. Es war ihm anzusehen, dass er in Gedanken weit weg war.
»Württemberg ist zwar nur ein kleines Land und verfügt über keinerlei Bodenschätze, dafür ist es das Land der klugen Köpfe. Meine Schwester hat einst dafür gesorgt, dass etliche technische Erfindungen aus Württemberg nach Russland gelangten, was für uns sehr hilfreich war. Überhaupt war die Verbindung zwischen Russland und Württemberg sehr fruchtbar. Das könnte sich nun wieder holen …«
Olly schnaubte leise. Sie hatte es gewusst.
»Katharina war außerdem Wilhelms große Liebe. Man erzählt sich, dass seine jetzige Frau – Karls Mutter Pauline – ihr nie das Wasser reichen konnte, weswegen die Ehe wohl eher unglücklich ist.«
»Und
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