Die Zarentochter
welch wertvolle Stütze er für Karl war? Ohne ihn, den langjährigen Wegbegleiter, war der Thronfolger doch nahezu hilflos! Oder war genau das womöglich erwünscht? Wurde hier versucht, einen Keil zwischen sie zu treiben? Aber warum sollte dies jemand tun?
Selten hatte sich Hackländer so verunsichert gefühlt wie hier in Palermo. Seit Tagen hatte er seinen Zögling nur noch zwischen Tür und Angel gesehen. Wann immer Karl zu einem weiteren Ausflug mit Olga aufbrach, verspürte er ein nervöses Rumoren im Bauch. Was würde der junge Prinz anstellen? Welche Torheiten – wilde Versprechen gar – äußern? In welche Gefahren würde er sich begeben?
Nun, da er ihn endlich wieder einmal ganz für sich hatte, war es höchste Zeit herauszufinden, wie die Dinge wirklich lagen.
»Wie träumerisch Sie dreinschauen, mein lieber Prinz! Bestimmt sind Sie in Gedanken längst erneut bei Großfürstin Olga?«, sagte Hackländer, kaum dass Karl wieder saß.
Karl nahm einen tiefen Schluck Wein und nickte. »Olga ist so wundervoll! So liebenswert und schön und klug und …« Er machte mit seiner rechten Hand eine hilflose Geste. »Eigentlich fehlen mir die Worte, um ihr gerecht zu werden.«
»Verzeihen Sie, mein Prinz, aber es macht mir fast ein bisschen Angst, Sie so reden zu hören.«
»Wieso das? Sie wissen doch, dass ich es mit den Worten nicht so habe.« Karl lachte. » Sie sind der Literat, nicht ich. Eigentlich sollte ich Sie anweisen, ein Gedicht für Olga zu schreiben.«
»Nichtswürde ich lieber tun«, sagte Hackländer gedehnt.
»Aber?« Der Prinz lachte noch immer. »So reden Sie schon, sonst sind Sie doch auch nicht so zurückhaltend, mir Ihre Ansichten kundzutun.«
Resolut stellte Hackländer sein Glas weg.
»Ich freue mich wirklich, Sie so heiter zu sehen, lieber Prinz. Aber mich treibt die Sorge um, dass Ihnen das Lachen bald vergehen könnte.« Er legte den Kopf schräg, als grübele er über einer besonders schwierigen Rechenaufgabe. Tatsächlich wägte er ab, wie offen er mit dem Königssohn reden sollte.
»Könnte es nicht sein, dass die Großfürstin ein wenig zu schön, zu klug und zu liebenswert ist? Ich meine … Ist es denn normal, all diese hehren Eigenschaften in einem einzigen Weib vereint zu sehen? Mir macht das ein wenig Angst. Ich frage mich, wie wohl der Herr beschaffen sein muss, der sich dieser Frau einmal annimmt. Ein jeder Tor würde ihr nämlich gewiss nicht gerecht werden!«
Das Lächeln auf Karls Gesicht gefror. Seiner Sache nun schon sicherer, fuhr der Sekretär fort: »Wenn ich darüber nachdenke, sehe ich vor meinem inneren Auge einen Herrn von Welt. Einen sehr männlichen Herrn, breitschultrig, groß, stark. Einer, dem die Damenwelt zu Füßen liegt. Mächtig sollte er sein und über einen starken Willen verfügen. Dann wäre er der richtige Mann für eine Zarentochter.«
»Und Sie finden, ich bin all das nicht? Dann haben Sie eine schöne Meinung von mir. Aber wissen Sie was, lieber Hackländer? Es ist mir egal. Olga sagte erst heute Mittag wieder, man solle die Meinung der anderen nicht gar so wichtig nehmen.«
Einen Moment lang verschlug es Hackländer die Sprache. So weit war es also schon!
»Oh, ich rede nur so dahin, meine Worte waren gar nicht auf Sie gemünzt, verehrter Prinz«, sagte er wegwerfend. »Immerhin ist Olga eine Dame allerhöchsten Adels. Da kommt unsereins nicht nur ins Schwärmen, sondern auch ein wenig ins Grübeln.«
Karl seufzte. »Wenn ich darüber nachdenke, von welch hoher Herkunft Olga ist, wird mir auch ganz anders«, sagte er. »Auf der anderenSeite ist sie sehr natürlich. Ich dachte anfangs auch, dass eine Dame wie sie hochnäsig sein müsse, aber dies ist nicht der Fall. Das Parlieren mit ihr macht wirklich Spaß. Ganz eigene Ansichten hat sie!« Karl schüttelte fast andächtig den Kopf. »Ich bewundere die Großfürstin dafür, wie sie ihren eigenen Weg geht. Es ist eigentümlich, aber ihre Stärke färbt ein wenig auf mich ab. Ich habe das Gefühl, als könnte ich zusammen mit ihr große Dinge bewegen.«
Der Sekretär kniff missmutig die Lippen zusammen. Die Großfürstin führte also große Reden. Und sein Zögling hörte ihr mit offenen Ohren zu. Wenn das so weiterging, verlor er seinen wohlwollenden Einfluss auf den Prinzen schneller, als er dachte.
»Ich weiß, dass Sie leicht zu begeistern sind. Dass hohe Feuer der Leidenschaft in Ihnen lodern, durfte ich in der Vergangenheit ja schon mehrmals erleben. Doch nicht immer wirkten
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