Die Zarentochter
mich.«
Ollys Augen funkelten. Wie weggewischt war ihr Mitgefühl mit Karl. Stattdessen war sie furchtbar wütend.
»O ja, ich weiß sehr wohl Bescheid. Und zwar darüber, dass Sie von Menschen umgeben sind, die Ihnen nichts, aber auch gar nichts zutrauen. Die Ihnen durch wichtigtuerische Reden das Selbstvertrauen nehmen, statt Ihnen den Rücken zu stärken. Wahrscheinlich fühlen sich diese Personen dadurch selbst besser. Schämen sollten die sich!«,sagte sie mit bebender Stimme. Wehe, dieser Sekretär lief ihr hier und jetzt über den Weg. Der Mann gehörte schleunigst aus Karls Umkreis entfernt!
»Aber –«
»Kein Aber! Sie sind ein wundervoller Mensch. Sie haben wundervolle Ideen, die ich mit Ihnen teile. Und ich mag Sie!«
»Sie … mögen mich?«
»Sehr sogar.« Sie ergriff Karls Hand.
»Der gestrige Tag war der schönste, den ich seit langem erleben durfte. Ich habe jede Minute genossen, Sie haben mich sehr glücklich gemacht. Dabei habe ich schon nicht mehr daran geglaubt, dass ich jemals wieder würde glücklich sein können.«
Er schaute sie skeptisch, fast misstrauisch an. »Und Sie reden nicht nur so daher?«
Olly verneinte mit einem liebevollen Blick.
» Ich habe Sie glücklich gemacht?« Ruckartig zückte Karl sein Portemonnaie und warf ein paar Münzen auf den Tisch. »Dieser Gedanke versetzt mich in Champagnerlaune! Kommen Sie, es wird höchste Zeit, dass wir diese Spelunke verlassen.«
»Aber wollten wir uns nicht hier mit Anna und Herrn Hackländer treffen?«, protestierte Olly schwach.
Karl winkte ab. »Die finden uns schon!«
Beim Blick in sein frohes Gesicht wurde es auch Olly leicht ums Herz. »Gehen wir Champagner trinken! Wir Russen haben immer einen Grund zum Feiern. Lassen Sie uns auf das Leben trinken. Und darauf, dass Gott uns zueinandergeführt hat.«
Karl schaute sie fasziniert an. »Sie sind nicht nur wunderschön, sondern außerdem klug. Worauf warten wir noch?«
Hand in Hand liefen sie davon.
Noch nie hatte ein Glas Champagner so prickelnd geschmeckt. Während Olly Karl zum wiederholten Male zuprostete, ließ sie ihren Blick über die weitläufige Terrasse ihres Restaurants schweifen. Keine Spur von Anna oder Hackländer. Gut so. Wenn es nach ihr ging, brauchten die beiden heute gar nicht mehr zu erscheinen.
»LiebsteOlly, Sie haben den glücklichsten Menschen aus mir gemacht«, sagte Karl und trank sein Glas in einem Zug leer. Dann ergriff er ihre Hand und drückte einen stürmischen Kuss darauf. »Ich möchte Ihnen mit Liebe alles tausendfach zurückgeben. Erlauben Sie mir wirklich und wahrhaftig, um Ihre Hand anzuhalten?«
Das war er also. Der große Moment. Gleich würde Karl vor ihr auf die Knie fallen, während der leise Duft von Bergamotte sie beide umschmeichelte. Voll froher Erwartung nickte Olly ihm zu, als dicht neben ihnen eine Stimme ertönte: »Scusi?« Schelmisch lächelnd hielt eine junge Frau Karl einen Strauß Blumen entgegen. »Fiori per la donna?«
Karl lachte lauthals auf. »Das nenne ich Geschäftssinn, zur rechten Zeit am rechten Ort. Aber nur die Veilchen, bitte!«
Kaum war die Blumenverkäuferin fort, überreichte er Olly das kleine Sträußchen.
»Veilchen gelten bei uns als ein Symbol der Hoffnung, der Liebe und der Treue. Es würde mir ärmlich vorkommen, Ihnen andere Blumen zu schenken.«
Gerührt betrachtete Olly die lilafarbenen samtenen Blüten.
»Olly, Sie sind der Engel, der mir von Gott geschickt wurde. Aus Angst und aus Feigheit habe ich es fast nicht gewagt, dieses Geschenk anzunehmen. Doch nun, da Sie mich ermutigt haben …« Er ergriff ihre Hand. Diesmal war sein Handkuss voller Zärtlichkeit. Seine Lippen wanderten von Finger zu Finger, sein warmer Atem strich liebevoll über ihre Haut. »Darf ich Ihrem Vater schreiben und um Ihre Hand bitten?«
»Ja«, flüsterte Olly ergriffen. »Ja.«
Die Nachricht verbreitete sich in Palermo wie ein Lauffeuer. Unter den adligen Russen, die im sonnigen Süden überwinterten, gab es keinen, der nicht in der Villa Olivuzza auftauchte, um seine Glückwünsche zu überbringen. Nach alter russischer Tradition küssten die Gratulanten Ollys Hände, ihr Verlobter Karl bekam Küsse auf die Schulter gedrückt. Ein Fest folgte dem nächsten, der Cham pagner floss in Strömen, die Württemberger – an so viel Feierlaune nichtgewöhnt – kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, machten jedoch eifrig mit. General von Spitzemberg, Karls Adjutant Berlichingen und allen voran Friedrich
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