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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Cerises Firmung statt, sie wurde außerdem zur russischen Großfürstin ernannt und hieß fortan offiziell »Maria Alexandrowna«. Am Tag darauf wurde ihre Verlobung mit Sascha nach russischem Brauch gefeiert, das deutsche Verlöbnis vom Frühjahr war in Russland nichtig.
    Olly war es gelungen, für Alexander einen Platz an der Tafel der Familie zu arrangieren, immerhin wäre er der Bruder der Braut, argumentierte sie gegenüber ihrer Mutter, die die Tischordnung überprüfte. Allerdings saß Alexander an letzter Stelle und nicht wie die Familienmitglieder in einem bequemen Sessel, sondern auf einem hölzernen Hocker, genannt Taburett. Sein Besteck war nicht aus Gold, sondern aus Silber. Olly hätte inzwischen die ganze höfische Etikette in der Luft zerreißen können. Was waren das für schreckliche Regeln, die Menschen in ihrem Kreis ausgrenzten, ohne dass darüber auch nur ein Wort verloren wurde? Warum waren ihr diese himmelschreienden Ungerechtigkeiten früher nie aufgefallen?
    Doch nicht alles lief schlecht in diesen Wochen. Olly weihte Adini in ihr Geheimnis ein und fand in der jüngeren Schwester eine geduldige Zuhörerin für ihre Schwärmereien. Auch Cerise und Maria Bariatinski ließen sich als Verbündete gewinnen. Die Verlobung mit Stephan war ein großer Fehler – dafür zeigten beide Verständnis. Hatten sie das nicht gleich geahnt?
    Vorallem Cerise war entzückt: zuerst die große Liebe zwischen Sascha und ihr, und nun auch noch Olly und ihr Bruder!
    Maria Bariatinski, deren eigene Hochzeit mit Michael Kotschu bej, dem Sohn der Obersthofmeisterin, ebenfalls für das Jahr 1841 festgelegt worden war, schwärmte gar schon von einer Doppelhochzeit.
    Beide junge Frauen erklärten sich umgehend bereit, Olly und Alex ander zu helfen. Cerise ging zur Zarin und bat um verschiedene Änderungen im höfischen Protokoll, damit ihr Bruder, den sie so schrecklich vermisste, fortan gesellschaftlichen Ereignissen würde beiwohnen können. Angesichts von so viel geschwisterlicher Verbundenheit stimmte die Zarin zu.
    Olly war überglücklich. Endlich wurde Alexander nicht mehr wie ein Aussätziger von den schönsten Festen ausgeschlossen. Wenn er erst einmal sah, wie fröhlich und zugleich opulent die Russen feiern konnten, würde er sich in seiner neuen Heimat bestimmt schneller einleben.
    Maria Bariatinski lud Alexander, Cerise und Olly, so oft es ging, in ihr Landhaus ein. Gemeinsam unternahmen sie Schlittenfahrten ins verschneite Petersburger Umland, gingen spazieren oder tranken Tee zusammen, wobei sich Maria und Cerise meistens rasch zurück zogen. Alexanders Arme um sich zu spüren, seine Lippen auf den ihren, seinen Atem in ihrem Haar – in diesen Augenblicken fühlte sich Olly glücklich, unbeschwert und frei von jeglichem höfischen Zwang.
    Olly weihte Anna nicht ausdrücklich ein, aber die Hofdame wusste auch ohne große Worte längst über Ollys Gefühle Bescheid.
    »Bewahre einen kühlen Kopf, lass dich nicht nur von deinem Herzen leiten. Ich vertraue darauf, dass du nie vergisst, wer du bist«, mahnte Anna ihren Zögling zwar immer wieder, ließ Olly jedoch gehen, wenn ein Ausflug mit Alexander und einer ihrer »Anstandsdamen« geplant war. Dass Anna sie nicht ständig mit Vorwürfen überschüttete oder an ihre Verlobung mit dem Österreicher erinnerte, rechnete Olly ihr hoch an.
    Damit sie sich auch von sonst niemandem etwas anhören musste, schwor sie ihre Mitwisserinnen auf absolutes Schweigen ein. Aber waswar mit Sascha?, wollte Cerise wissen. Ihr zukünftiger Ehemann würde doch gewiss erfahren dürfen, wie es um seine Schwester und den Schwager bestellt war.
    Olly verneinte erschrocken. Seltsamerweise hatte sie vor Saschas Reaktion fast noch mehr Angst als vor der ihres Vaters – warum, konnte sie nicht erklären. Fast abergläubisch fieberte sie stattdessen dem achtundzwanzigsten April entgegen. Wenn es ihr gelang, bis zum Tag von Saschas Heirat ihre Liebe zu Alexander geheim zu halten, würde alles gut werden!
    Noch nie in ihrem Leben war Olly so glücklich gewesen. Ihr Strahlen war derart offensichtlich, dass es fast niemandem in ihrer Umgebung entging. »Du grinst die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd«, bemerkte Mary mürrisch.
    »Das kommt davon, dass ich mich so auf Stephans Besuch zu Saschas Hochzeit freue«, erklärte Olly forsch. Gleichzeitig schickte sie ein stummes Bittgebet gen Himmel – von ihr aus konnte der Österreicher bleiben, wo er war.
    Endlich war der Jahreswechsel

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