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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Kerzenlicht aus. In der Mitte jedes Tischs werden Porzellanfiguren aus ihrer Sammlung der Völker Russlands stehen. Einige ausgewählte Exemplare sollten um die Figurine gruppiert werden, die sie selbst, die Kaiserin, auf dem Thron darstellt.
    Und doch, trotz all dieser Bemühungen wird der Ball nicht an die heranreichen, die Grischenka auszurichten pflegte. Ohne ihn ist Pracht ein glanzloses Wort.
    *
    Noch Monate, nachdem die Nachricht aus Jassi eintraf, war Grischenka überall. Beim Volk, das er einst liebte, an den Orten, die er bewohnt, in den Dingen, die er berührt hatte. Seine Gegenwart wurde durch ein Buch hervorgerufen, dessen Ecken angekaut waren, weil sie ihn nicht daran hindern konnte, auf allem, was er in die Hand bekam, herumzunagen, oder durch ein zerbrochenes Porzellankörbchen, das nach einem Wutanfall voll Reue liebevoll wieder zusammengeklebt wurde. Wenn sie aufwachte, glaubte sie, ihn wieder an ihrem Bett stehen zu sehen, sein Gesicht grau im Halbdunkel, seine hohe Gestalt gebückt. Wie er sie lange anblickt und dann, wortlos, über ihrem Kopf ein Kreuz schlägt.
    Jetzt, fünf Jahre später, erinnert sie sich nur daran, wie er war, als sie ihn zum letzten Mal sah. In seinen Reitstiefeln, die schwarze Binde über dem schlimmen Auge. Wie er stolperte, als er den Raum betrat. Er ist jünger als ich, hatte sie sich immer wieder gesagt, als sie bemerkte, wie krank er aussah. Er wird mich begraben.
    Nur hier, im Taurischen Palast, kann sie gelegentlich noch das Glück der Vergangenheit spüren. Nur hier – in einem seltsa
men Augenblick wie diesem, in diesem kleinen Schlafzimmer oder in seinem großzügig angelegten Wintergarten, wo er einst Oleander und Bougainvilleen pflanzte – kann sie Grischenka vielleicht noch an ihrer Seite spüren.
    Â 
    Geliebte Matuschka, dich nicht zu sehen macht mir das Leben noch schwerer …
    Â 
    Le Noiraud, den Anjetschka geholt haben muss, entkorkt eine Flasche mit Riechsalz und hält sie ihr unter die Nase. Der bittere Geruch nach Ammoniak lässt sie würgen. Sie schlägt danach, als wäre es eine lästige Fliege.
    Ihr Liebhaber legt seinen Arm um sie. »Du hast wieder an ihn gedacht«, murmelt er. Seine Stimme verrät nichts als reine Besorgnis.
    Sie nickt.
    Â»Weine nur, Katinka«, drängt er sie mit seiner seidenen Stimme. »Weine.«
    Es tut gut, sich zu seinem Kummer zu bekennen. Die Tränen fließen und sie sich dann sanft von den Wangen wischen zu lassen. Das eigene Spiegelbild in Le Noirauds Augen zu sehen.
    Â 
    Letzten Endes ist Arbeit immer das beste Heilmittel.
    Sie greift nach Besborodkos jüngstem Bericht über Alexanders polnischen Freund Adam, mit dem ihr Enkel so viel Zeit verbringt. Die beiden wurden am Ufer in angeregtem Gespräch beobachtet. Außerdem sind sie in der Umgebung von Zarskoje Selo ausgeritten und haben ganze Tage auf Feldern und Wiesen verbracht. Siebenmal allein im August.
    Mit dem Schießen von Vögeln?
    Mit Reden, schreibt Besborodko. Über Rousseau, über die amerikanische Demokratie und übers Essen.
    Prinz Adam ist auf kaiserlichen Befehl hin nach Sankt Peters
burg gekommen. Seine Familie, die Czartoryskis, hat törichterweise den Kościuszko-Aufstand unterstützt, woraufhin ihre Güter beschlagnahmt wurden. Als die Familie Katharina um Vergebung bat, schrieb sie: Schicken Sie erst Ihren Sohn nach Russland.
    Die Czartoryskis sind ein polnisches Adelsgeschlecht. Ihre Linie reicht bis tief in die Vergangenheit. Ihre Verbindungen durch Blut oder Heirat sind makellos, ihr Ehrgeiz gigantisch. Jetzt, mit den neuen Grenzen, sind sie zu russischen Untertanen geworden. Niederlagen erzeugen stets Ressentiments.
    Die Czartoryskis, versichert ihr Minister ihr, hätten schnell gelernt. Sie haben akzeptiert, was offensichtlich ist. Von nun an liegt die Macht allein beim kaiserlichen Hof.
    Vielleicht.
    Es stimmt, dass Prinz Adam nicht mehr der argwöhnische Gast ist, der er bei seiner Ankunft war. Höflich, oh ja, aber auch steif und wachsam. Jetzt finden ihn die Dolgorukis bezaubernd. Die Woronzows preisen seinen Verstand und seine Eleganz. Und Maria Fjodorowna hält Adam natürlich für die crème de la crème . Obwohl der Überschwang ihrer Schwiegertochter mit Vorsicht zu genießen ist. Eines der Czartoryski-Mädchen hat Marias Bruder geheiratet.
    Und worüber haben Alexander und Adam nun auf all diesen

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