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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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sie.
    Â»Nicht so gut wie Maria Fjodorowna«, bekennt der König. »Aber ich war ja auch ungeübt.«
    Pani, die entschieden hat, dass er keine Bedrohung ist, legt ihre schmale graue Pfote in seinen Schoß und erwartet einen Leckerbissen oder zumindest einen zarten Klaps auf den Kopf. Der König erstarrt leicht. Er ist kein Hundeliebhaber.
    Â»Ich wünschte, ich hätte Brüder«, fährt der König fort. »Oder Schwestern«, ergänzt er mit der Wehmut eines Kindes, das zu viel Zeit unter Erwachsenen verbracht hat.
    Â»Man muss nicht einsam sein«, sagt sie und sieht, dass er eifrig nickt.
    Der erwartete Moment ist gekommen. Der schwedische König ist kurz davor, seine Liebe zu Alexandrine zu erklären. Sie erkennt es an seinen geweiteten Augen und den erhitzten Wangen.
    Â»Bevor Sie irgendetwas sagen, Monsieur«, erklärt sie, »muss ich einige Dinge sehr deutlich klarstellen.«
    Gustav Adolf macht ein erschrockenes Gesicht. Als hätte sie ihn dabei erwischt, wie er sich die Taschen mit kaiserlichem Silber vollstopft, aber sie beruhigt ihn nicht. Sie will seine volle Aufmerksamkeit.
    Â»Meine Enkeltochter hat eine reine Seele. Sie wurde zwar am Hof erzogen, aber dieses Kind weiß nichts von Ränken und Bosheit. Sie muss vor allem Leid beschützt werden.«
    Bei diesen Worten entspannt sich die Miene des Königs sichtlich. Er fühlt sich auf sicherem Boden. Seine schwarzen Augen werden feucht, seine Stimme wird weich. »Ich würde nicht zulassen, dass irgendjemand ihr ein Leid zufügt.«
    Â»Das bezweifle ich nicht, Monsieur«, versichert sie ihm. »Aber Sie können nicht immer an ihrer Seite sein. Auch Sie haben Feinde. Der maskierte Mann, der Ihren Vater ermordete, kann nicht allein gehandelt haben. Außer Ihrer Zuneigung und Ihrem Wohlwollen braucht Alexandrine ihre Familie und Rückhalt in ihrem neuen Land.«
    Â»Ich habe nicht die Absicht, ihr das zu verweigern«, protestiert Gustav Adolf. »Ich kann Ihnen versichern …«
    Â»Bitte«, unterbricht sie ihn. »Lassen Sie mich sagen, was ich zu sagen habe, und lassen Sie mich ganz offen sein. Sie, Monsieur, sind Lutheraner. Meine Enkelin ist russisch-orthodox. Haben Sie das Problem der Religion schon bedacht?«
    Der König blickt sie verblüfft und ungläubig an. Was hat er denn gedacht, worüber sie mit ihm sprechen will? Über die heimlichen Neigungen seines Vaters? Seine Eskapaden mit Baron Munck?
    Â»Nimmt die Ehefrau«, erwidert Gustav Adolf, »nicht immer den Glauben ihres Gatten an?«
    Â»Russischen Adligen ist es verboten, aus der orthodoxen Kirche auszutreten. Wenn eine russische Großfürstin von ihrem Glauben abfiele«, sagt sie, »wäre sie für immer von ihrer Familie und von Russland ausgeschlossen. Und wäre sehr allein.«
    Sie schweigt, lässt ihm Zeit, die Konsequenzen ihrer Worte zu erfassen. Sie hätte gern sein Gesicht gesehen, doch der schwedische König hält den Kopf gesenkt. Alles, was sie sehen kann, ist ein gerader Streifen Haut dort, wo seine glänzenden Haare sich teilen, bevor sie ihm über die Wangen fallen. Sie hofft, dass er über den Horizont von Liebe und Glauben hinausblicken und die Vorteile für sich einschätzen kann. Hofft, dass er an die Zukunft denkt. Von welchem Nutzen wäre Alexandrine ihm ohne ihren Einfluss in Sankt Petersburg?
    Â»Wenn Sie mich um Erlaubnis bitten, meine Enkelin heiraten zu dürfen«, nimmt sie den Faden wieder auf, »werde ich sie unter der Bedingung geben, dass es ihr in Schweden erlaubt sein wird, ihre Religion so auszuüben, wie sie es hier tut. Antworten Sie mir nicht jetzt sofort, Monsieur. Ich habe die Absicht, für einige Tage nach Zarskoje Selo zu fahren. Denken Sie über das nach, was ich gesagt habe. Wenn Sie das für unmöglich halten, machen Sie das Beste aus Ihrem Besuch, und wenn ich zurückkomme, werden Sie abreisen, ohne dieses Gespräch wieder aufzunehmen. Sollten Sie es aber tun, werde ich wissen, dass Sie diese Bedingung akzeptiert haben.«
    Der König hebt den Kopf. Sein Gesicht ist blass, aber gefasst. Er dankt ihr für ihre direkte Art, die er unendlich zu schätzen wisse. Und dann sackt sein Körper in sich zusammen wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht, und er verlässt den Raum.
    An der Tür wirft er ihr noch einen letzten Blick zu, als könne er immer noch nicht glauben, dass er sie

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