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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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in der des Triumphs bei ihr sein wird.
    Er nennt sie Katinka. Seine Katinka. Grigori Orlow, der einen Feind mit einem Fausthieb töten kann, weiß mit jeder Fiber seines Körpers, mit jedem seiner starken Muskeln, dass niemand, kein anderer Mann, kein anderer Liebhaber, sich mit ihm messen kann. Er kennt ihren Hunger und wie er zu stillen ist. Er weiß, dass in dem Moment, da er sie berührt, er und sie miteinander zu verschmelzen beginnen.
    Manchmal ist es nicht leicht, auseinanderzuhalten, was die Notwendigkeit erfordert und was die Liebe will.
    Grigori Orlow nennt Peter einen Schwächling und eine Missgeburt. Ein Deutscher – noch dazu einer, der Geige spielt – mit einem pockennarbigen Gesicht und einem kleinen Schwanz. Kein Wunder, dass er es nie geschafft hat, seiner Frau ein Kind zu machen. »Wenn er es wagt, auch nur einen Finger gegen dich zu erheben, Katinka, bringe ich ihn um. Ich reiß ihn in Stücke und nagle sie ans nächstbeste Scheunentor.«
    Es ist ihm zuzutrauen, dass er seine Drohungen wahr macht, furchtlos und waghalsig genug ist er. Aber wenn er getötet wird, ehe er dazu kommt, ist sie dem Zorn ihres Ehemannes wehrlos ausgeliefert. Auch der aus Ressentiment geborene Zorn eines Schwächlings kann schrecklich sein. Peter kann sie verstoßen, und dann ist sie verloren.
    Â 
    In der Öffentlichkeit nennt sie Grigori Orlow immer noch einen Ochsen.
    *
    Dobroje bratstwo – lutschscheje bogatstwo. Gute Freundschaft ist der beste Reichtum.
    Â 
    Â»Männer sind wie ungezähmte Pferde, Katinka«, sagt Grigori Orlow. »Man muss sie richtig zureiten, dann gehorchen sie.«
    Sie ist eine ausgezeichnete Reiterin, aber sie hat noch nie ein Pferd abgerichtet.
    Â»Bring es mir bei«, sagt sie.
    Pferde sind scheu und furchtsam, sie brauchen eine starke Hand.
    Das und noch mehr lernt sie von Grigori Orlow. Er sagt es ihr, und sie kann es sehen, wenn er auf der Koppel zu einem Hengst hintritt, der da angebunden steht. Ein Riese von einem Mann, der nur so strotzt vor Kraft und Mut. »Man muss ein Pferd zuerst einmal einschüchtern und ihm klarmachen, wer der Herr ist, damit es folgt.«
    Die Lektionen der Orlows sind unkompliziert, und Katharina war immer schon schnell von Begriff. Tiere zähmen und Männer zähmen sind nur zwei Seiten derselben Medaille.
    Grigori spricht nicht in raffiniert gedrechselten Sätzen. Seine Weisheiten muss man aus knappen Bemerkungen, aus mürrischem Grunzen, aus ungeduldigem oder verächtlichem Stöh
nen gewinnen. Wie ein Alchimist muss sie alles, was sie hört und sieht, prüfen und filtern, muss das Material, das er ihr hinwirft, allerlei Läuterungs- und Umwandlungsprozessen unterwerfen, bevor aus unedlen Metallen Gold wird.
    Tu, was du für richtig hältst, und kümmere dich nicht darum, was andere dazu sagen. Wenn dir bewusst ist, dass du die Zügel führst und niemand sonst, dann wird das Pferd es spüren und dir folgen. Und wenn du diese Überzeugung nicht hast, sondern nur vortäuschst, dann macht das Pferd, was es will.
    Warum?
    Dein Körper verrät mehr, als du glaubst. Du kannst deine Gedanken nicht verbergen. Du musst lernen, diejenigen, die du nicht gebrauchen kannst, aus deinem Kopf zu verbannen.
    Grigori drückt ihr den Führstrick in die Hand und tritt einen Schritt zurück.
    Alle Muskeln des Pferds sind straff gespannt. Es stampft nervös, die Ohren zucken. In diesem Moment kann jede Kleinigkeit das Tier verstören und in blinde Panik versetzen. Ein vorbeihuschender Schatten, der blitzende Reflex eines Brillanten an einer Brosche, der krächzende Schrei einer Möwe.
    Â 
    Â»Zwing ihm deinen Willen auf, Katinka. Weiter, bis er nachgibt. Schau ihm in die Augen.«
    Â 
    Macht ist eine Sache des Willens und zielbewussten Handelns.
    Man muss seine Position kühn behaupten.
    Man muss die Leute belohnen, die tun, was man von ihnen verlangt, und die anderen bestrafen.
    Mit jedem Schritt, den man tut, gewinnt oder verliert man Macht, mit jedem Schwanken der Stimme. Nicht die Worte zählen, sondern der Tonfall und die Tonlage.
    Â 
    Â»Man muss unerschütterlich an sich selbst glauben, nur dann kann man siegen. Soldaten wissen das, Katinka.«
    Â 
    Als es so weit ist, dass sie das Pferd zum ersten Mal reiten soll, bekommt sie Angst. Sie sieht sich selbst auf dem Boden liegen, niedergetrampelt, das Gesicht zu Brei zerstampft. Sie ist nur

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