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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Todes nicht überdecken kann, steht die Großfürstin an Elisabeths Bett. In ihrem Bauch spürt sie die Tritte ihres Kindes, der Frucht einer verbotenen Liebe. Wenn es sie verrät, wird sie in ein Kloster verbannt werden, wo man sie in einer Zelle gefangen halten wird, bis sie grau und verschrumpelt ihr elendes Leben aushaucht.
    Und es kann ihr sogar noch schlimmer ergehen.
    Sie sind allein. Die Kaiserin hat die Dienstboten und Hofdamen hinausgeschickt. Sie warten im Vorzimmer, spitzen die Ohren und beäugen einander misstrauisch. Die Spione der verschiedenen Parteien am Hof sind ständig im Kriegszustand. Wer wird ins kaiserliche Schlafgemach vorgelassen, und wer muss im Vorzimmer warten? Wessen Warnungen finden Beachtung oder werden ignoriert? Vor allem aber: Wer wird in die kostbarsten kaiserlichen Geheimnisse eingeweiht? Denn wenn
man für würdig befunden wird, etwas zu erfahren, was anderen verborgen bleibt, so ist dies der stärkste aller Liebesbeweise.
    Elisabeth liegt hingestreckt auf ihrem hohen Bett, auf weichen seidenen Decken. Die Dunkelheit ist aus diesem Raum verbannt, überall brennen dicke Kerzen. Gedanken an die Hölle verfolgen die Kaiserin. Die irdischen Lüste, die sie genossen hat, verdammen sie zu ewiger Qual. Flammen werden ihre Haut verbrennen, Peitschenhiebe werden sie zerfetzen, siedendes Öl wird sie verbrühen. Hagere Teufel werden flüssiges Gold auf die Körperteile gießen, mit denen sie am meisten gesündigt hat, und werden sie mit rotglühenden Zangen zwicken.
    Â»Ich hätte Peter nie nach Russland holen sollen«, sagt Elisabeth. »Ich hätte ihn in Holstein verrotten lassen sollen.«
    Ihr Neffe ist ein Kretin. Ein mickriger Schwächling ohne Rückgrat. Er hört auf jeden, der ihm schmeichelt. Er wird Russland in den Ruin treiben. Er wird das Reich zum Fußschemel Preußens machen.
    Ihre Lider sind geschlossen, sie ringt in unregelmäßigen Atemzügen nach Luft. Ihre Lippen sind ausgetrocknet, die Mundwinkel eingerissen und eitrig entzündet.
    Wie lange wird sich ihr Sterben noch hinziehen? Einen Monat? Vierzehn Tage? Eine Woche? Doktor Halliday, der kaiserliche Leibarzt, nimmt die Geschenke an, die Katharina ihm schickt, lässt sich jedoch keine Prognose entlocken. Er breitet die Arme aus und gesteht, dass er mit seinem Latein am Ende ist. Die Erfahrung lehrt, dass man in solchen Fällen nichts vorhersagen kann. Es liegt alles in Gottes Hand.
    Das Baby tritt gegen ihren Magen. Katharina wird einen Moment lang übel. Die Orlows haben alles bereits geplant. Grigoris Bruder Alexej wird dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit der Leute abgelenkt wird, während Warwara das Neugeborene aus dem Palast schmuggelt.
    Aber erst muss Katharina die Geburt überleben.
    Die sterbende Kaiserin regt sich. »Und dich hätte ich auch
nicht nach Russland holen sollen«, murmelt sie. Ihre Worte sind bitter und rau, Asche gemischt mit grobem Sand. »Ich kenne deine Geheimnisse, Katharina. Ich weiß, wer für dich spioniert, ich weiß, was du vorhast.«
    Der Großfürstin läuft es kalt über den Rücken.
    Â»Sie täuschen sich, Majestät«, sagt sie leise. »Ich habe keine Geheimnisse.«
    Â»Man hat mich vor dir gewarnt.« Die Kaiserin verzieht das Gesicht, vor Schmerz wahrscheinlich, aber es sieht aus wie die Andeutung eines Lächelns. »Eine Lügnerin durch und durch, haben sie gesagt, die nur an sich denkt und an niemanden sonst.«
    Katharina fragt nicht, wer das gesagt hat. Nicht, dass sie es nicht wissen wollte, aber sie gönnt der Kaiserin die Genugtuung nicht. Sie will sich nicht zwingen lassen, in dem Müll ihrer Vergangenheit nach Verrätern zu wühlen. Der Gedanke daran, was die Kaiserin möglicherweise alles schon weiß, ist schlimm genug. Dass sie ihren Bauch eingeschnürt hat, um ihre Schwangerschaft zu verbergen? Dass Grigori und Alexej Orlow in den Kasernen um Unterstützung für die Sache der Großfürstin werben? Es gäbe ausreichend Gründe, sie alle verhaften zu lassen und ihnen den Prozess zu machen.
    Ein langes gequältes Stöhnen dringt zwischen den blassen Lippen der Kaiserin hervor. Ihre Miene sagt: Ich könnte dich vernichten, Katharina, ich könnte deine üblen Machenschaften aufdecken und dich durch den Schmutz ziehen, aber ich will es nicht.
    Bevor der Tod sie dahinrafft, möchte Elisabeth noch ein Geschäft

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