Die Zarin (German Edition)
trugen noch die flachen Pelzhüte der alten Zeit, und einige der Damen zogen von Goldstickerei steife Musselinschleier unter den hohen Kappen aus Biberpelz vor ihre müden Gesichter. Unter der kalkweißen und roten Schminke, die ich mir auch angewöhnt hatte, schienen ihre Mienen erschöpft. Der Zar musterte sie mit vor Zorn dunklen Augen. Selbst die in die Knochen schneidende, klare Kälte galt ihm nicht als Entschuldigung für die Kleidung nach russischer Art. Als die ersten Höflinge – wie die Sitte es verlangte – ihre Roben ablegten und ihre nackten Körper kurz durch das Loch in die eisigen Fluten der Moskwa tauchten, war Peter schon in den Ställen und besah seinen Troß. Alles war zum Aufbruch bereit. Mich wies er ohne Zögern an, in das Haus Menschikows zurückzukehren. Wohl war mir nicht dabei: Ich hatte Angst vor dem Zorn und der Eifersucht Warwara Arsenjewas.
Schon am zweiten Nachmittag, nachdem ich mein Zimmer im Holzpalast von Alexander Danilowitsch wieder bezogen hatte, bekam sie mich zu fassen. Darja war im von Dienern gezogenen Schlitten ausgefahren, denn sie hatte in der Ladenstadt einen warmen Mantel aus weichem grünem mit Fell verbrämtem Leder und eine dazu passende Kappe für Menschikow bestellt. Der Januar konnte um den Ladogasee an der Schlüsselburg der kälteste Monat sein. Menschikow selbst kümmerte sich um die tausend Dinge, die seinem Aufbruch ins Feld vorangingen. Der Zar erwartete seinen Freund dort so bald als möglich und sandte ungeduldige Briefe von jeder Etappe seines Rittes, in denen stets dieselben Worte standen: »Wo bleibst Du? Wie soll ich guter Laune sein, wenn Du nicht bei mir bist? Mein Herzlieb, zieh mir bald nach.«
So saß ich nahe dem Feuer in Darjas Wohnräumen und bestickte einen Schal aus weicher persischer Wolle, den ich ihr zum Geschenk machen wollte. Der Stoff war von einem reichen Gelb, das mich an die Farbe von Senf erinnerte. Die Wolle war so zart, daß ich den fertigen Schal durch einen meiner Ringe ziehen konnte. Der Händler in der Ladenstadt hatte mir gesagt, es sei eine Wolle, die zwischen dem normalen Fell persischer Bergziegen wuchs: Der Faden wurde angeblich mit Gold aufgewogen! Daß dies stimmte, konnte meine leere Börse bestätigen! Für die Stickereien auf dem Schal wählte ich die zierlichen Muster und geschwungenen Ranken, die ich als Mädchen in Livland gelernt hatte.
Mit einem Mal hörte ich draußen im Gang rasche und zornige Schritte. Ich konnte kaum daran denken, zu fliehen oder mich zu verstecken, da hatte Warwara schon voll Kraft die Tür aufgestoßen. Sie sah aus wie ein rächender Engel, von dem ich im Hause der Glücks gehört hatte: Ihr langes, rotes Haar lag wie eine Flamme um ihre Schultern, und in ihrer vor Zorn zitternden Hand hielt sie eine Gerte. Sie trug ein loses, dunkles Hauskleid und keine Schuhe an den Füßen. Mit nur einigen Schritten war sie bei mir und schob ihre Gerte unter mein Kinn, um mein Gesicht zu heben: »So, nun bist du also wieder da, nach deinem kleinen Ausflug in den Kreml!«
Ich versuchte, mir meine Furcht nicht anmerken zu lassen, und lächelte sie gelassen an. Das steigerte jedoch ihre Wut nur noch: Auf einmal schrie sie mich mit rotem, verzerrtem Gesicht an. »Metze! Das hat man nun davon, wenn man Gesindel wie dich auf der Straße aufliest! Mir den Mann wegzunehmen! Dir Kebse werde ich es zeigen!«
Die Gerte fuhr pfeifend durch die Luft, und ich ließ mich geschwind vom Stuhl auf den Teppich rollen. Schlägen auszuweichen, hatte ich gewiß bei Elisabeth Rabe gelernt! Die Gerte schlug peitschend auf die Stuhllehne, dorthin, wo eben noch mein Arm geruht hatte. Der Seidenstoff des Kissens zerriß. Warwara starrte einen Augenblick erstaunt auf den Schaden, und ich nutzte diesen kurzen Augenblick für mich. Mit Schwung warf ich mich gegen ihre Knie, so daß sie den Halt verlor und mit mir zu Boden fiel. Ihre Hände fuhren gegen meinen Hals, so daß ich ihr die Gerte nicht entwenden konnte. Ihre Nägel schienen überall zu sein, und ich spürte einen beißenden Schlag über meinen Ausschnitt gehen und heulte auf vor Schmerz. Gleichzeitig bekam ich jedoch ihre Haare zu fassen und riß ihr mit Kraft ein ganzes Büschel aus.
»Ich habe ihn dir nicht weggenommen! Er war nie an einer Kebse interessiert, die sich mit allem, was Beine hat, paart! Wahrscheinlich tust du dich in deiner Gier noch an Menschikows Ställen gütlich! Du bist doch nichts als eine rossige Stute!« Ich spuckte ihr die Worte ins
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