Die Zarin (German Edition)
zur Nacht!«
Beide Männer lachten und schlugen die Tür zum terem hinter sich zu. Der hölzerne Boden im Gang schluckte ihre Schritte und ihr Gelächter schon bald. Darja zog mich wieder an sich, und wir umarmten uns einige Augen blicke lang. Dann schob sie mich leicht von sich und sagte: »Du mußt bald ein Kind bekommen, Martha. Anna Mons hat nie ein Kind bekommen, und das hat sie die Stellung gekostet! Nichts macht einem Mann soviel Freude wie ein Sohn, nichts bindet ihn so an dich!«
Peter gab mir im Kreml ein kleines Zimmer für mich, das im ehemaligen terem, nicht zu weit von seinen Räumen entfernt, lag. Pawel Jaguschinski, der Verwalter von Peters Haushalt, teilte mir eine Zofe aus niederem Adel zu. Sie war plump und hatte eine Hasenscharte, das arme Ding, so daß ich kaum ein Wort von dem, was sie sprach, verstand. Dennoch machte sie sich frech hinter meinem Rücken über meinen deutschen Tonfall im Russischen lustig. Die Wunden aber, die Warwara Arsenjewa mir zugefügt hatte, behandelte sie auf Peters Anweisung hin geschickt mit Kefir und einer sauren Paste aus den Blättern eines Tundrabusches. Ich schlief noch zwei weitere Nächte im Bett des Zaren. Die letzte Nacht vor seinem Aufbruch schlief er wie ein sattes Kind an meiner Brust ein. Am Morgen bevor er ging, küßte er mich zum Abschied und sagte: »Sollte mir etwas passieren, so habe ich Pawel Jaguschinski angewiesen, dir fünfzig Golddukaten auszuzahlen. Damit kannst du dir dann ein eigenes Leben schaffen.«
Ich wollte ihm für seine Großzügigkeit danken, sagte dann aber nur: »Dir kann nichts passieren. Meine Liebe beschützt dich.«
Er lachte nur, ganz so, als sei mir ein Scherz gelungen, und küßte meine von der Morgenkälte klammen Finger. »Das ist gut, matka !«
Als der Zar und seine Männer aus dem Tor des Kreml in den blassen Morgen ritten, schlief ich noch tief und fest. Die gesamte Stadt gefror wie zu einer Blase aus undurchdringlichem Eis.
Im Westen ging derweil der Große Nordische Krieg mit unverminderter Bitterkeit weiter. August von Sachsen erwies sich immer mehr als nutzloser Verbündeter, so hörte ich bei Hofe. Seine einzige Sorge schien seiner Schatulle und dem, was sich zwischen den Schenkeln seiner Geliebten, der Gräfin Aurora Königsmarck verbarg, zu gelten. Die Königsmarck hatte ihm im vergangenen Jahr einen Sohn geboren, der auf den Namen Moritz getauft wurde. Obwohl der Knabe ein Bastard war, ließ August die Geburt von seinen höchsten Beamten bezeugen. Ich bewahrte die Geschichte des kleinen Moritz von Sachsen in meinem Herzen auf. Gleichzeitig wäre der Kurfürst von Sachsen besser beraten gewesen, sich vorzusehen, meinte Fjodor Matwejewitsch Apraxin zu mir, ehe er zu Peter ins Feld reiste.
»Lange wird er nicht mehr König von Polen bleiben, der starke August.«
»Weshalb nicht, kum ?«
»Weil Louis in Frankreich seine eigene Vorstellung davon hat, wer Polen beherrschen soll. Und der König in Paris erreicht zumeist, was er sich so vorstellt. Zudem ist Stanislaw Leszczynski Pole, und ich wäre überrascht, wenn August auch nur den Namen eines großen polnischen Hauses kennt!«
»Königsmarcky vielleicht«, bemerkte ich trocken, und wir beide lachten.
Die Abreise von Fjodor Apraxin stimmte mich traurig. Ich lernte soviel von ihm, und er erhielt regelmäßig Briefe von Scheremetjew über Peters Feldzug. Auf diese Weise, wenn er mir das Geschriebene am Abend vor einem Feuer vorlas, fühlte ich mich dem Zaren nahe. Er zeigte mir auf der Landkarte, wo sich die russischen Truppen gerade befanden, und versuchte auch, Karls nächste Entscheidung zu erahnen. Meist besuchte ich ihn in seinem weitläufigen Haus aus Holz und Ziegeln nahe dem Kreml. Ich machte ihm in aller Ehrerbietung meine Aufwartung, und er hatte bereits warmen Wein, Nüsse, Piroggen und kandierte Früchte in seine Bibliothek bringen lassen. Es war ein Wunder, daß er noch in der Stadt weilte: Die Armee bedeutete nun einen Dienst auf Lebenszeit, während frühere Zaren ihre Soldaten nach dem Ende des Krieges nach Hause schickten. Zudem liebte Peter es, auf jedem Feldzug und jeder Reise von bekannten Gesichtern umgeben zu sein. Die Adelspalä ste der Straßen um den Kreml und den Roten Platz waren herrenlos. Auch in der Ladenstadt kam es nun öfter vor, daß man von Weibsvolk bedient wurde. Doch auch die damy der Moskauer Gesellschaft wußten sich zu helfen: Es wurde Mode, schwedische Kriegsgefangene als Erzieher ihrer kleinen Söhne
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