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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Die Morgensonne stand schon warm am Himmel. Wenn es nur später auf dem Fest auch so schönes Wetter war!
    Ich löste mich von Christina und küßte sie auf die Wange. »Komm, wir laufen! Je schneller wir mit dem Waschen fertig sind, desto eher können wir baden! Ich möchte meine Haare waschen – und dann auf den warmen Steinen am Ufer liegen und mich trocknen!«
    Sie nickte, griff meine Hand, und gemeinsam liefen wir an den Feldern vorbei. Das Land gehörte den Mönchen des russischen Klosters, und wir sahen die Seelen bei der Arbeit. Die kurze Zeit der Fruchtbarkeit mußte genutzt werden – mein Vater und meine Brüder arbeiteten oft den ganzen Tag und die halbe, helle Nacht, um neben den Feldern des Klosters auch noch die eigene magere Erde vor unserer isba zu bearbeiten. Oh nein, wir liebten die Erde, die uns ernährte, nicht: Sie war uns eine harte und grausame Herrin. Sechs Tage der Woche gehörten dem Kloster, der siebte dann uns. Für Seelen hatte Gott keinen Ruhetag vorgesehen.
    Jetzt, im Lenz, wurde nur ein Teil des Feldes für die Sommerernte bestellt. Auf einem zweiten Teil wurden im Sommer Rüben und Kraut gepflanzt, die man auch bei hartgefrorener Wintererde ernten konnte. Das letzte Drittel Erde ruhte bis zum folgenden Jahr. Die Männer arbeiteten schnell: Die Zeit, in der wir für den Rest des Jahres vorsorgen konnten, war nur sehr kurz. Einige verpaßte oder vertrödelte Tage konnten eine Hungersnot bedeuten. Im August blieben mein Vater und meine Brüder leicht achtzehn Stunden auf den Feldern, denn dann mußte die Sommerernte eingefahren werden, und die Aussaat für die Winterernte begann.
    Zwischen den Arbeitern sahen wir die Mönche in ihren langen, dunklen Gewändern hin und her wandern. Sie waren scheinbar in Gespräche vertieft, hielten in Wahrheit jedoch ein scharfes Auge auf ihr Eigentum. Ich glaubte, meinen Vater und meine Brüder unter ihnen zu erkennen. Ihre Rücken waren tief über das Feld gebeugt.
    »Was, glaubst du, hat ein Mönch unter seinem Rock?« fragte Christina mich mit frech glitzernden Augen.
    Ich lachte und zuckte die Schultern. »Viel kann es nicht sein, sonst sähe man es doch durch?«
    »Das stimmt! Vor allen Dingen, wenn sie dich sehen!« antwortete sie.
    Ihre Bemerkung erschien mir seltsam. Ich dachte an Elisabeth Rabe und ihre Andeutungen über meine Mutter. »Was meinst du damit?« fragte ich vorsichtig. Ich konnte nicht glauben, daß Christina mich beleidigen wollte. Und tatsächlich: »Martha! Und du willst älter sein als ich?« rief sie, ehe sie ihren Kopf zurückwarf. Sie löste ihren Knoten und schüttelte ihre langen blonden Haare. »Es kann dir doch nicht entgehen, daß …? Ach, auf dem Jahrmarkt werden sie alle mit dir tanzen wollen! Und mich wird keiner beachten!« Sie blinzelte mich frech und wissend an.
    »Unsinn! Du siehst aus wie ein Engel!« Ich strich ihr über den Kopf. »Aber wie ein Engel, der dringend gebadet werden muß, wenn ich mir deine Arme so ansehe! Komm’ jetzt.«
     
    Wir fanden unsere seichte Waschstelle vom vorherigen Jahr am Fluß wieder. Ein kleiner Weg führte durch das buschige, dornige Gestrüpp dorthin, und man konnte uns von der Straße aus kaum sehen. Wir setzten vorsichtig beim Abstieg hin zum Ufer einen Fuß vor den anderen. Christina wickelte das wertvolle Stück Seife aus dem Lumpen, den sie in die Tasche ihrer Tunika gesteckt hatte. Sie tauchte das Waschbrett in das klare Wasser und rieb die Seife vorsichtig über seine scharfen Rippen, bis sie alle dick mit einer glitschigen Schicht bedeckt waren.
    Seife herzustellen war harte Arbeit, nach der einem alle Glieder schmerzten, und Elisabeth Rabe trug sie mit Vorliebe mir auf. Das Seifekochen war nach den Schlachttagen des Klosters im Herbst oder mit der gesammelten Asche des Winters im Frühjahr eine gemeinschaftliche Tätigkeit der Frauen des mir . Wir kochten dazu eine beißende Lauge aus Regenwasser und Asche mit dem angesammelten Schweine- oder Rinderfett und Pferdeknochen stundenlang ein. Es bildete sich so schon bald ein graue, schleimige Brühe mit großen, heißen Blasen auf ihrer Oberfläche, die laut und spritzend aufplatzten. Der Brei wurde nur sehr langsam von Stunde zu Stunde dicker, und wir mußten ihn ständig umrühren, bis man den Eindruck hatte, die Arme wollten einem abfallen. Dann endlich, gegen Abend des Kochtages, schütteten wir die Masse in eine Form aus Holz. Setzte man noch Salz zu, so bekam man einen festen Brocken. Aber das Salz war uns oft zu

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