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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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wertvoll dafür: Wir benötigten es für die Tiere und um Fleisch und Kraut für den Winter haltbar zu machen. So war die Seife oft nur ein Schleim, den man dem Waschwasser zusetzte.
    Ich wickelte die schmutzige Wäsche aus dem Bündel. Es waren die guten Leinenhemden und Hosen der Männer und die Sarafane und Leinentuniken, die wir Frauen an Feiertagen trugen. Sie waren aus viel weicherem Stoff als unsere Alltagskleider, und wir bestickten sie farbenfroh um den flachen Kragen, die Armausschnitte und den Saum. Ich schlang mein Haar in einen losen Knoten und faltete mein ausgeblichenes Kopftuch so, daß es mich vor der nun heißen Sonne schützte. Dann zog ich an den Bändern, die in die Ärmelnähte meines Kleides eingelassen waren. Die Länge der Ärmel ließ sich so je nach Wetter und Umständen bestimmen. Nun hatte ich beide Arme frei zum Arbeiten. Der Kattun meines Sarafans war schon ganz dünn geworden, und die Ärmel bauschten sich in unzählige Falten.
    Gemeinsam gingen Christina und ich ans Werk. Wir arbeiteten rasch: Die Aussicht auf ein Bad ließ uns die Kleider schnell eintauchen, kräftig schrubben, auf die flachen Steine schlagen, auswringen und über tiefhängende Zweige an der Böschung zum Trocknen hängen.
    »Los!« rief Christina plötzlich, als ich noch das letzte Hemd sorgsam glattstrich. Sie löste den einfachen Knoten in ihrem Gürtel, zog sich die grobe Tunika über den Kopf und schlüpfte aus dem Rock. Sie stand splitternackt in der Frühlingssonne und lief nun zum Wasser. Als sie lief, bemerkte ich einen Augenblick lang, wie anders sie aussah als ich.
    Verfluchte Elisabeth Rabe. Eines Tages sollte sie für die Verleumdungen meiner Mutter bezahlen! Christinas Haar war weich und blond, und ihre Haut hatte einen warmen Goldton. Ihr Körper war schlank und hochgewachsen, sie hatte schmale Hüften und kleine, knospende Brüste. Dennoch, sie war schon fähig, Kinder zu haben: Im letzten Jahr war sie zu mir gekommen, als ihr Blut anfing zu fließen. Ich selbst dagegen – nun, Elisabeth hatte schon recht! Meine Haare waren schwarz und fest, und meine Haut schimmerte matt wie Tonerde. Niemand bei uns im Dorf hatte eine solche Haut, und ich schämte mich dafür. Meine Hüften waren schon jetzt breit und mein Busen groß und fest.
    Christina planschte in der seichten Uferströmung. »Komm! Nun komm schon!« rief sie, ehe sie wieder untertauchte.
    Sie stand auf und lief weiter in das flache Wasser, ehe sie das Tiefe erreichte und sich kopfüber in die Wellen stürzte. Ich zögerte nicht mehr, sondern glitt aus meinen Kleidern, löste meinen Knoten und eilte ihr nach. Wie lange wir dort planschten, tauchten und uns mit Genuß verbotenerweise die Körper mit der kostbaren Seife abschrubbten, weiß ich nicht mehr. Wir öffneten unter Wasser die Augen, fingen Wasserschnecken mit der Hand und brachen spitze Schilfrohre vom Ufer, um einen Aal zu spießen. Das Wasser war sehr kalt, und auf unserer Haut bildete sich sofort, wenn wir wieder auftauchten, eine Gänsehaut.
    Was für eine Abwechslung nach dem Winter, in dem wir nur am Sonnabend ins Badehaus, die banja , gingen! Reinlichkeit war Elisabeth Rabe sehr wichtig, und niemand sonst aus unserem mir ging dort wirklich jede Woche hin. Es war sehr stickig in dem kleinen Raum, der ganz mit Holz ausgeschlagen war. Wir saßen auf langen Bänken um einen Kessel heißer Steine, auf den Wasser mit Fichtennadeln geschüttet wurde, so daß der Dampf in dichten Wolken zischte und uns fast den Atem abschnitt. Danach durften wir frisches Leinen anziehen. Den Rest der Woche wuschen wir uns nicht mehr. Ein fahrender Händler hatte uns einmal erzählt, daß die Badehäuser aus dem Norden kämen, aus Schweden und Finnland. Die Menschen dort sollten sie noch viel häufiger als wir benutzen! Das wollten wir jedoch nicht glauben, denn sich soviel zu waschen, konnte nicht gut sein.
    Die Zeit im Wasser verging wohl schneller, als wir dachten: Als wir die Pferde oben auf der Straße hörten, war es schon spät am Nachmittag. Ich hörte die Männer als erste, da ich bereits am Ufer stand und meine Haare auswrang. »He – ihr Mädchen!« riefen sie uns auf russisch zu, was wir in der Familie leidlich sprachen. Ich richtete mich auf, um hoch auf die Straße sehen zu können: Ich machte einige Reiter aus und einen mit einer hellen Plane bedeckten Karren, auf dem ein Mann die Zügel der beiden Pferde in den Händen hielt. Ich hatte das Gefühl, daß er mich trotz der Entfernung

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