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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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weit!« Er sah in Jaguschinskis Rachen und zog die Nase kraus. »Du stinkst aus dem Rachen wie ein Bär aus dem Arsch. Wie hält dein Weib das nur aus! Aber warte, das ist bestimmt dein fauler Zahn da hinten …«
    Er hielt den bedauernswerten Verwalter seines Haushaltes fest an den Haaren gepackt und zog ihn so an das Fenster. In seinem kleinen Schreibkabinett kramte er mit seiner freien Hand in der obersten Lade des Tisches und förderte einen prall gefüllten Beutel ebenso wie eine lange, dünne Zange zutage. Pawel gurgelte etwas. Aber jede Gegenwehr war zwecklos. Peter zwang ihm mit seiner Hand den Kiefer noch weiter auf. Er setzte die Zange an den Zahn, den er für den richtigen hielt, und riß mit einem Ruck die Zange her um. Pawel schrie auf wie ein verwundetes Tier und spuckte einen weiten Strahl Blut in das Zimmer aus. Peter dagegen ließ ihn achtlos frei und hielt stolz den Zahn an das Licht. »Ein Prachtstück! In den Beutel mit ihm!« rief er stolz aus.
    Er öffnete den Beutel und legte Pawels Zahn zu den zahllosen anderen, die er bereits gezogen hatte. Der kleine Sack war voller als die Börse eines Geizhalses aus der gostiny dwor . Oft genug, wenn er mit seinen Freunden durch die Straßen und Wirtshäuser der Stadt zog, hatte Peter sowohl die Zange als auch den Beutel am Gürtel. Sah er nur irgendwo eine geschwollene Backe, ging er augenblicklich damit ans Werk.
    Pawel Jaguschinski schien der Ohnmacht nahe und stützte sich auf die Lehne eines Stuhls. Peter musterte ihn ohne Mitleid und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. »Worauf wartest du noch? Du hast doch gesagt, Blumentrost ist da. Nun, laß ihn schon rein, den alten Teufel! Er und sein ekelhaftes Quecksilber sollen nicht warten müssen!«
    Ich schickte mich an, den Raum mit Jaguschinski zu verlassen.
    Blumentrost drückte sich mit gemurmelten Grußworten an mir vorbei. Peter ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Ich schnappte noch seine ersten Worte auf: »Endlich, Blumentrost! Mir kommt der Eiter aus dem Schwanz, und es brennt wie die Hölle beim Pinkeln. Und deine Kuren helfen nicht!«
    Dann schloß sich die Tür hinter mir.
     
    Im Gang begann Pawel Jaguschinski dann vor Schmerz zu weinen wie ein Kind. Ich legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter und sagte: »Geh’ in meinen Empfangsraum und bitte eine meiner Damen, in die Küche zu senden. Dort ist eine alte Tscherkessin, Jakowlewna. Sie hat eine Paste, die abschwellend wirkt. Das wird dir helfen.«
    Er nickte. Ehe er sich jedoch wegdrehte, sagte er noch: »Der Zar hat deinem Staat eine neue Kammerfrau zugewiesen. Sie soll dir aufwarten und dich unterhalten.«
    »Wie heißt sie?« fragte ich.
    Pawel schien die Sache unangenehm zu sein, obwohl dies gewiß nicht zum ersten Mal vorkam. »Jewdokija Tschernikowa. Der Zar nennt sie aber boi-baba. Sie hat schon einige Kinder, und …«
    »Und sie ist wieder in gesegneten Umständen, richtig?« beendete ich den Satz.
    Pawel Jaguschinski nickte und wurde noch röter. Nur seine immer noch geschwollene Backe blieb weiß. »Laß nur, Jaguschinski. Ich werde mich um sie kümmern. Es ist nicht das erste Mal. Geh jetzt«, befahl ich ihm mit freundlicher, ruhiger Stimme.
    Er trollte sich, froh darüber, mir gehorchen zu können. Ich ließ Jewdokija Tschernikowa einfache, jedoch niedere Arbeiten zuweisen. Nach dem Vater ihres Kindes mußte ich mich gar nicht weiter erkundigen. Ich beglückwünschte Peter beim Nachtmahl lachend zu seiner Manneskraft. Er sah mich mit freundlich wiegendem Kopf an, und ich wußte, daß er von mehreren Flaschen Wein und Bier betrunken war. Ehe er auf mir einschlief, sagte er noch: »Was auch immer ich tue, altes Mädchen, mein Bestes ist dein!« Er wühlte sich in mein Haar und begann zu schnarchen. Ich glitt unter ihm weg und schöpfte Atem. Erst dann schlief ich über meinen Tränen ebenfalls ein.
     
    Die Wasser der Newa umschlossen Sankt Petersburg wie eine Faust aus Eis. Die Kälte des Winters schmolz die Stadt zu einem in der Sonne leuchtenden Block zusammen. Schiffe lagen wie Gerippe von riesigen Seetieren im Eis fest, und Schlitten und Eisläufer zogen auf dem groben Eis ihre Bahnen um sie. Es war nun viel leichter, von einem Ort zum anderen zu kommen: Peter weigerte sich, eine Brücke über die Newa zu bauen. Im Gegenteil, jede Adelsfamilie mußte sich eigene Boote bauen lassen. Im Sommer gab es zwar Fährmänner, aber nur das einfache Volk wurde umsonst aufgeladen. Russen von Stand hatten eine Kopeke für das

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