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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Gliedmaßen ab. Die Wölfe um Haydach waren fett in jenem Winter.
     
    Ein Gesandter des Kosakenatamans Skoropadski berichtete uns am Hof von Sankt Petersburg: »Die Schweden haben nur noch drei Hoffnungen in ihrem Leben: Branntwein, Knoblauch und den Tod.« Er gurgelte mit einigen Schluk ken Branntwein und spuckte dann aus. Dann griff er sich die gesamte Flasche und leerte sie in einem Zug. Peter beobachtete ihn unruhig und fragte drängend: »Was hat Karl vor?«
    »Er will nach Poltawa. Er denkt, wenn er Poltawa hat, dann hat er schon Moskau«, antwortete der zähe kleine Mann und fuhr sich mit seinem Handrücken über den Mund.
    Peter lachte mit einem Mal zufrieden. Er nahm das fetteste Huhn, das er auf dem Tisch entdecken konnte: Erst zog er es sich unter der Nase durch, dann nahm er prüfend einen Bissen und legte es dem Kosaken auf den Teller.
    »Poltawa! Nun, dann soll es in Poltawa sein, daß wir uns begegnen! Iß, Bruder! Das beste Huhn von meiner Tafel, für dich! Und öffnet noch ein Faß Wodka, ich will feiern! Daß mir keiner nach Hause geht, ehe ich nicht das Zeichen dazu gebe!« rief er.
    Der Kosake ließ sich nicht zweimal bitten, rülpste laut zum Zeichen seiner Zufriedenheit und zerriß das vor Fett und Soße triefende Huhn gierig mit seinen Fingern.
     
    Poltawa. Im April, als die ersten Butterblumen auf dem jungen Grün der Wiesen sprossen, zogen die Schweden vor den Mauern der Stadt auf. Eine irregeleitete Kugel traf während der ersten Belagerung König Karl in die Ferse. Dennoch, er peitschte seine Männer mit seinem Zorn auf und versperrte ihnen damit jegliche Rückkehr in die Hoffnung und das Leben. Einer ihrer Briefe wurde von Peters Regimentern abgefangen und fand ihren Weg in unsere Hände: »Wir sind verzweifelt und hoffen auf unsere letzte Stunde. Der König verschließt sich jedem guten Rat, und sein Geist ist nur auf ein Ziel gerichtet: Krieg, Krieg und noch einmal Krieg. Nichts spielt für ihn noch eine Rolle, nicht einmal mehr der Sieg.«
    Peter für seinen Teil wartete auf den rechten Augenblick.
     
    »Nein. Nein, nein, nein! Ich komme mit dir! Denkst du etwa, ich sticke Kleider vor dem Kamin in Kiew, wenn du dort draußen in der Schlacht bist?!« fragte ich trotzig. »Niemand wird mir verbieten, meine Pflicht zu tun und dir zu folgen! Wohin auch immer und unter welchen Umständen auch immer!« Ich stampfte mit dem Fuß auf, um meinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
    Peter sah mich aus blutunterlaufenen Augen an. Sie lagen wie zwei Kohle stücke in seinem aschfahlen Gesicht. Die Quecksilberkur von Blumentrost wollte nicht anschlagen. Er eiterte und blutete aus seinen Lenden, er schwitzte literweise saures Wasser und verlor in meinen Armen alle Kraft. Ein ekelerregender Geruch von Fäulnis ging von ihm aus, obwohl ich ihn jeden Tag mit warmem Wasser und einem Schwamm wusch. Er war unruhig: Es war Zeit, zu handeln, und koste es sein eigenes Leben. In seiner Schwäche schloß er angestrengt die Augen.
    »Verdammtes, stures Weib! Kann dich denn nichts erschüttern! Und wenn ich dir befehle, dem Schlachtfeld fernzubleiben?« fuhr er ein letztes Mal auf.
    Ich lächelte breit und drückte ihn sanft in die Kissen zurück: »Auf das Schlachtfeld will ich gar nicht. Aber im Lager will ich sein, um für dich zu beten und dir nach dem Sieg als erste zu gratulieren. Ich will nicht nach Kiew zu den anderen Weibern. Du brauchst mich. Ich bringe dir Glück.«
    Er griff mit seinen wächsernen Fingern nach meiner Hand. »Das stimmt. Also gut, in drei Gottes Namen. Aber ich will keine Klagen hören«, schloß er wie zur Bedingung.
    »Hast du je Klagen gehört?« fragte ich nur und drückte seine klamme Hand an meine Lippen.
    Er lächelte, und seine Lippen zogen sich dabei vom Zahnfleisch wie bei einem Toten. »Nein«, murmelte er und fiel in einen leichten Schlaf.
    Ich erhob mich und achtete darauf, daß mein Seidenkleid dabei nicht raschelte. Ich ging in den Nebenraum unserer Zimmerflucht in der Dreieinigkeitsfestung von Taganrog bei Asow am Asowschen Meer. Wir waren kurz nach dem Osterfest dort angekommen, um den Fortschritt beim Bau der Flotte auf der Werft zu begutachten. Dort füllte die kochende Hitze des Pechs in den großen Kesseln, das schrille Singen der Sägen und das stete, stumpfe Schlagen der Hämmer die Luft. Ich ging zum Fenster und wollte es öffnen, als ich hinter mir ein Räuspern hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich Blumentrost im Sessel vor dem Kamin sitzen. Das Feuer darin

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