Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
Vom Netzwerk:
leiden. Dennoch, wo immer wir anlegten, kamen die Woiwoden und die Dorfbewohner mit Musikanten und Geschenken, die ihre tatarischen Diener auf ihre Schultern geladen hatten, an die Schiffe: frisch geschlachtetes Vieh, wie Schafe, Rinder und Schweine; gerupftes Federvieh, Fässer von Bier, Wodka und Branntwein und Schläuche mit saurer Milch, Laibe von festem, schwarzem Brot, das noch ofenwarm war, Eier, saures Kraut, gesalzener Fisch und eingelegte Zwiebeln. Peter nahm alles mit vor Dankbarkeit feuchten Augen an und versicherte die Menschen seiner Gnade. Die hungrigen Augen der Kinder folgten den bunten Fahnen unserer Schiffe, bis sie auf dem Fluß aus ihrem Blick verschwanden.
    Wir erreichten Nischni Nowgorod gerade zur rechten Zeit: Die Wolga läßt sich im Sommer am leichtesten befahren, denn ihre Wasser stehen durch die ottepel des Nordens hoch. Dennoch saßen wir in den folgenden Tagen immer wieder auf kleinen Inseln und auf Sandbänken fest. Der Wind stand gegen uns, und die heiße Sommerluft stand faul über den schlammigen Wellen. An den Ufern sichteten Peters Späher in den Lichtungen der Lindenwälder Tataren, die ihre langen Bogen um die Schultern gespannt trugen. Sie sahen grimmig aus mit ihren tiefliegenden Augen über hohen Wangenknochen, den langen Haaren, schwarz und glatt wie Rabenschwingen, und den Fellen, die sie sich über ihre Tuniken um den Körper banden. Es hieß, daß sie ihre Pferde weichritten, ehe sie sie verspeisten. Sie hatten jedoch den Ruf eines faulen und räuberischen Volks, so daß Wolynski die Wachen an Bord verdoppeln ließ.
     
    Wann immer sie sich dazu in der Lage fühlte, kam auch Maria Kantemir an die frische Luft. Sie ließ sich dann unter viel Aufhebens und Wehklagen von zwei ihrer Damen über die Planken des Schiffes führen. Ihr Leib war nun schon offensichtlich geschwollen. Zu meinem Schreck war ihr Bauch mehr spitz als rund. Zudem war ihre Haut mit einem Mal sehr unrein: Das bedeutete, daß sie mit einem Knaben schwanger ging. Die buntbestickten Tuniken ihrer Heimat spannten um ihren Leib und sie war, wenn ich sie an Deck sah, meist sehr blaß. Die Bewegung des Schiffes machte sie doppelt krank. Ich wünschte mir, daß sie sich ihre schwarze Seele aus dem Leib spie.
    Peter war unendlich besorgt um sie: Deshalb achtete ich darauf, mich täglich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen. Durch meine Tscherkessin Jakowlewna ließ ich ihr heilende Kräuter und Aufgüsse senden. Die Alte berichtete mir, wie Maria Kantemir bei den ersten Malen die Nase krauszog. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich einen Sud trinke, den die Zariza mir sendet?« fragte sie höhnisch und schüttete den Trank Jakowlewna vor die Füße.
    Dann lief sie, um sich wieder zu übergeben: Schließlich nahm sie meine Gaben doch an und ließ nach einiger Zeit sogar danach schicken.
     
    Hinter Kasan gewann das Wasser an Geschwindigkeit: Die Schnellen rissen unsere Boote mit sich. Das Land beiderseits des Stroms bot meinen Augen weniger Abwechslung: Die Kosaken und Kalmücken waren hier so wild und ruchlos, daß es kaum noch Dörfer, geschweige denn allein und schutzlos gelegene isby gab. Es war an einem tristen, sandigen und für jeden Anbau unbrauchbaren Landstrich hinter der Stadt Zarizyn, an dem wir anlegten und wo Peter Johann Felten den Befehl für ein Abendessen an Deck geben ließ. Auch auf dieser Reise brach er nicht mit alten Gewohnheiten: Kein Abend verging, an dem nicht Fässer von Branntwein geleert wurden. Dazu aßen wir frisch gefangenen Fisch, wilde Enten und blini mit Gemüse. Ich nahm bereits meinen Platz gegenüber Peter an dem kleinen Tisch ein und ließ mir mein Glas bis zum Rand füllen. Die Nachtluft war mittlerweile ebenso heiß wie der Wü stenwind der brennenden Tage, und ich hatte mich von oben bis unten waschen lassen, um mich frisch zu fühlen. Meine warme Haut atmete die Duftsalbe aus, mit der Jakowlewna mich eingerieben hatte. Ich sah Peter aus Maria Kantemirs Kabine kommen: Er zog sich gerade noch mit der einen Hand den Gürtel zu und fuhr sich mit der anderen durch seine verschwitzten Haare. Einige Augenblicke nach ihm kam Maria Kantemir an Deck. Es war ihr offensichtlich zuwider, dem Zaren noch zu Willen zu sein. Im Schein der Fackeln am Ufer und dem Licht des vollen Mondes lagen ihre Augen tief in ihren Höhlen. Sie ließ sich zwischen uns nieder und wies das angebotene frische Obst mit einem mürrischen Kopfschütteln zurück. Peter jedoch griff ihre Hand, öffnete ihre

Weitere Kostenlose Bücher