Die Zarin (German Edition)
war vollkommen ausdruckslos. Ich sah es ein, zwei Male zucken. Dies konnte jede seiner Gemütsregungen andeuten. Mir schien, daß mit einem Mal selbst die Seeleute die Waren, Waffen und Kanonen langsamer luden. In wessen Adern rotes Blut rann und wessen Herz warm schlug, der hielt nun den Atem an. Ich führte mein Pferd mit ruhiger Hand ganz nahe an Peters Hengst heran.
Unsere Rösser kannten sich und begannen, sich gegenseitig friedlich am Zaumzeug zu kauen. Menschikow mußte ein Lächeln hinter einem Husten und der rasch zum Mund geführten Hand verbergen. Peter sagte noch immer nichts. Ich sah, wie seine Finger sich um seine dubina legten. Unwillkürlich straffte ich meine Haltung noch mehr. Meine Augen richteten sich fest auf die seinen, und ich sagte leise, so leise, daß nur er es hören konnte: »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich dich allein nach Persien ziehen lasse.«
Er schwieg einen Augenblick. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das nicht geglaubt, matka . Eher fällt das Osterfest auf den Dreikönigstag.« Er seufzte, und ich konnte sehen, wie er sich entspannte.
Ich neigte mein Haupt und sagte laut, so daß alle es hören konnten. »Mein Zar, verzeiht meine verspätete Ankunft. Ich konnte nur in aller Hast Eurem Befehl Folge leisten. Habt Dank für die Ehre, mich um meine Begleitung zu bitten. Hoffentlich habe ich die Abreise nicht aufgehalten. Wo soll ich meine Sachen laden lassen?«
Peter drehte sich zu dem Gesandten Wolynski, der an den Schiffen entlang auf und ab ritt, und machte ihm ein Zeichen. Er brachte seinen Braunen neben uns zum Stehen. Dem zierlichen Araberhengst stand in der stickigen Luft unseres Augustmorgens der Schaum vor den Nüstern. Mücken tanzten dem Tier um die Augen, und es begann unruhig zu tänzeln. Wolynski neigte das Haupt, behielt aber gleichzeitig das Treiben um uns im Auge. Peter befahl ihm: »Wolynski, laß die Kisten der Kaiserin auf meine Fregatte laden. Und sieh zu, daß in ihrer Kabine alles ist, was sie benötigt.«
Wolynski blickte einen Augenblick lang verwirrt. Er war jedoch klug genug, um seine Augen rasch genug zu senken. So nickte er nur und trabte in Richtung von Peters Galeone davon. Ich winkte meinem Lastführer zu und wies in die Richtung des Schiffes. Er schnalzte mit der Zunge. Die Maultiere, Träger und Lastkarren setzten sich träge in Bewegung und folgten Wolynski hin zu dem Schiff.
Ich wandte mich zu Peter und wollte noch einige leichte und freundliche Worte sagen. In diesem Augenblick jedoch machte eine Sänfte neben uns halt. Das Holz der Wände und der Türen war bunt mit Farben bemalt und mit Gold eingelegt. Auf ihrem Dach wehte die Fahne von Moldawien. Ich zog die Augenbrauen hoch. Eine schmale Hand schob die Vorhänge zurück. Peter drehte sich rasch weg. Maria Kantemir musterte erst mich, ehe sie ihren Blick fragend dem Zaren zuwandte.
Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf den Mund. »Gib gut acht auf dich, meine Liebste«, murmelte er dabei, ehe er sich zu mir wandte. »Katerinuschka, ich sehe dich dann an Bord.
Wir blieben allein in der Menschenmenge zurück. Ich setzte mich in meinem Sattel zurecht.
»Seit wann kommt Ihr in einer Sänfte? Habt Ihr das Reiten verlernt? Selbst Eure Kaiserin kommt hoch zu Roß«, fragte ich spöttisch. In ihre Augen trat nun ein satter Ausdruck, den ich nicht recht zu deuten wußte. Sie lächelte zu meinem Erstaunen und strich sich durch die offenen Haare.
»Aber meine Kaiserin! Ich sehe, Ihr seid nicht im Bilde. Sträflich, wirklich sträflich.« Sie schüttelte den Kopf in gespielter Entrüstung. In der Wärme des Sommers zog sich ein Frost wie das Netz der Vogelfänger um mein Herz.
»Ich habe die Ehre, einen Sohn seiner Majestät unter dem Herzen zu tragen«, sagte sie und lachte.
Der Wind blies frisch in unserem Rücken, und wir erreichten Moskau ohne weitere Vorfälle. Ich achtete darauf, von den Soldaten und den Matrosen stets auf Deck gesehen zu werden, und hatte stets ein freundliches Wort für sie. Ich nahm wie selbstverständlich meinen Platz bei den Beratungen Peters mit Wolynski und den anderen Männern ein und versuchte unseren Kurs auf den Karten zu verfolgen. Die Moskwa mündete in die Oka, einen Strom, der mir so breit schien wie das Meer. Hier war das Land dicht besiedelt, und ich schloß daraus, wie fruchtbar diese Weiten eigentlich sein mußten. Nun jedoch hatten auch sie bereits unter einem zweiten Sommer der Dürre zu
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