Die Zarin (German Edition)
nicht guten Tag sagen, ehe ich mit deinem Vater nach Persien aufbreche?« fragte ich sie freundlich.
Elisabeth erhob sich und sank in einen halben Knicks. »Ich sage dir gerne guten Tag, Mutter. Allerdings bin ich erstaunt, mich von dir verabschieden zu sollen: Am Hof heißt es, du würdest hier in Sankt Petersburg bleiben!«
Die Worte trafen mich so überraschend und schmerzlich wie ein Pfeil aus einem Hinterhalt der Kosaken. »Wer sagt das?« fragte ich erstaunt. Ich war nun froh, Ulrike Villebois so nahe hinter mir zu spüren. Elisabeth zuckte die Schultern. »Der Hof.«
In diesem Augenblick sah sie erschrocken zur Tür. Ich folgte ihrem Blick und drehte mich um.
Auf der Schwelle stand Peter mit seinen beiden neuen Zwergen und Maria Kantemir. Er mußte gerade aus Peterhof zurückgekommen sein, wo er die letzten Tage mit ihr und Wolynski verbracht hatte. Maria Kantemir deutete einen Knicks an, eine wohlerzogene Geste, die in erstaunlichem Gegensatz zu ihrem Aussehen stand: Hier, in den Räumen meiner Töchter sah sie aus wie eine schöne Wilde. Sie trug schmale Hosen aus bestickter Seide, über die sie eine enganliegende Tunika gezogen hatte. Ab der Leibesmitte öffnete sich die Tunika und gab den Blick auf einen silbernen Gürtel frei, den sie sich um ihre nackte, schmale Taille geschlungen hatte. Auch in ihre honigfarbenen Haare waren Silberschnüre geflochten, und ihre Handgelenke wirkten zerbrechlich unter den dicken Armreifen, die sie trug. Auf der Schulter saß ein kleiner Affe, den sie ohne Unterlaß mit Nüssen und Blütenblättern fütterte. Anstatt sich nach der Mode das Gesicht kalkweiß zu schminken, war ihre Haut leicht von der Sonne in Peterhof gebräunt: Darja Menschikowa hatte mir gesagt, daß sie nackt in der Bucht von Finnland badete und sich dann auf den Kieselsteinen vor Mon Bijou trocknen ließ. Das Wasser, dieser Spiegel des grauen, wilden Himmels, schien zahm in ihrer Gegenwart, und die Wellen leckten ihr gehorsam über ihre Zehen.
»Meine Zariza«, sagte Peter leichthin. »Wie gut, daß du auch hier bist. So kann ich mich auch gleich von dir verabschieden!«
Elisabeth senkte nun doch die Augen. Ich spürte, wie Wilhelm Mons mich ansah. Ich fühlte mich nur einen Herzschlag von ihm entfernt. Anna zog sich in ihre Ecke zurück. Ich deutete einen Knicks vor Peter an.
»Ich verstehe nicht …«, begann ich. Peter hob die Hand, um mich am Weitersprechen zu hindern. »Mein Entschluß ist gefaßt. In deinem Alter ist eine solche Reise nichts mehr für eine Frau. Du sollst hierbleiben und dich um die Eheschließung einer unserer Töchter kümmern. Ich benötige schließlich einen würdigen Statthalter hier.« Seine Worte klangen endgültig, und er beugte sich zu mir nieder. Seine Schnurrhaare streiften gleichgültig meine Stirn. Er ging zu seinen Töchtern und umarmte sie beide zum Abschied. Elisabeth Petrowna drückte sich an ihn, als er sie umarmte.
Ich fühlte mich so hilflos. Peter beugte sich zu Natalja und hob sie hoch. Dabei tätschelte er wohlwollend die volle, weiße Brust ihrer jungen Amme, ohne das Mädchen auch nur anzusehen.
»Ich werde lange weg sein. Bewahre mich in deinem Herzen, meine Kaiserin«, sagte er leichthin zu mir und küßte seine jüngste Tochter zum Abschied. In diesem Augenblick sprang der Affe von Maria Kantemirs Schulter und griff sich einige der Dominosteine von dem kleinen Tisch. Das Vieh hatte sie wohl für Nüsse gehalten, denn es kreischte vor Enttäuschung und warf damit um sich. Sie klapperten auf dem Parkett, und die Hofdamen gingen augenblicklich in die Knie, um sie aufzulesen. Maria Kantemir ließ die kleine Gerte, die sie stets bei sich hatte, durch die Luft sausen. »Hierher!« Ihre Stimme gellte durch den Raum. Der Affe duckte sich und gehorchte. Peter lachte und küßte Maria Kantemir vor unseren Augen auf den Mund. »Schon ganz kaiserlich, meine Herrin!« sagte er bewundernd.
Ihre Augen leuchteten auf wie die eines Tieres, das in den Schein eines Lagerfeuers im nächtlichen Wald sieht. Ihr Blick suchte mich. Die Drohung, die ich darin las, war deutlich. Peter, so wußte ich, sollte am Ende des Feldzuges nicht mehr mein Mann sein. Sie lachte kurz auf, und es klang wie das Schlagen einer Tür im Ostwind. Ich knickste tiefer als alle anderen, als Peter und Maria Kantemir gemeinsam den Raum verließen.
Mein Entschluß war gefaßt: Schließlich hatte ich mein Leben bisher so sehr geformt, wie mein Leben mich.
Die Frau verstand. Ich hatte sie
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