Die Zarin (German Edition)
duftige Linnen meiner Korsage schimmerte. Ich seufzte auf und glitt von meinem Stuhl auf meine Knie. Meine Finger fanden ihren Weg blind in seine Hose, und meine Lippen legten sich um ihn. Er wuchs in meinem Mund. Seine Hände krallten sich in meine Kopfhaut. Hinterher schenkte er uns beiden nach und hob seinen Krug. »Es wird ein Sohn, nicht wahr, Katerinuschka?«
»Aber ja, mein Zar. Auf den Zarewitsch!« Ich lächelte und prostete ihm zu. Eine Wolke zog über den Mond und verbarg den Ausdruck meiner Augen.
Meine Tscherkessin Jakowlewna blieb in Astrachan, der Stadt der tausend Türme und der leuchtenden Zinnen, der Stadt der süßen Früchte und des tanzenden Mondlichts, mit Maria Kantemir zurück. Ich küßte die Alte dreimal zum Abschied.
»Der Friede sei mit dir, Mütterchen«, wiederholte ich eine Grußformel, die ich von dem Gesandten Wolynski gehört hatte. Sie antwortete mir: »Dein Herz soll frei von Sorge sein und deine Nächte voll ruhigen Schlafes. Gott soll dich und die Deinen behüten, meine Fürstin, denn du bist eine gute Frau.«
Die Satteltaschen, die sie sich im Gehen über die Schultern legte, waren schwer von Gold. Damit konnte sie sich einen ruhigen Lebensabend erkaufen.
Wir schlachteten, buken und brauten vor Astrachan. Zudem empfingen wir Geschenke von den russischen Händlern, die sich durch unsere Anwesenheit wieder sicher fühlten: Melonen, Äpfel, Pfirsiche, Aprikosen und Weintrauben wurden uns auf die Schiffe gesandt. Unsere Schiffe setzten in der glühenden Hitze des Julimondes ihre Segel nach Derbent am Kaspischen Meer. Mit uns reisten fast dreiundzwanzigtausend Fußsoldaten. Mehr als hunderttausend Mann sollten uns über Land folgen. Als wir Derbent endlich erreichten, sah ich in den Augen der Männer bereits Anzeichen des Wahnsinns, den ich im Feldzug von Pruth fürchten gelernt hatte: Die Müdigkeit, die Hitze, der Hunger und der Durst raubten ihnen die Sinne. Unsere Vorräte erwiesen sich als zu gering, selbst wenn wir sie vierteilten. Die flachen Lastboote, die unseren Nachschub brachten, sanken in einem Sturm im Kaspischen Meer. Vor unseren Augen verhungerten Tausende von Pferden, die jedoch durch ihr mageres Fleisch unsere Männer am Leben erhielten. Ich selber überwachte gemeinsam mit Johann Felten das Schlachten der schwachen Klepper. Der Gestank des in der Hitze auf den Steinen kochenden Blutes wollte mir den Magen umdrehen. Die Männer aßen mit Widerwillen das faule Fleisch, doch sie brauchten Kraft, um nach Baku vorzustoßen. Dort sollte der Khan uns freundlich gestimmt sein. Zudem wollte sich Peter eine Scheibe von dessen Wohlstand abschneiden: Er förderte dort einen geheimnisvollen Stoff mit dem Namen Naphtha, der selbst im Wasser brennen sollte. Anstatt mich in den Schatten des Lagers zurückzuziehen, ließ ich Peters italienischen Bader in mein Zelt rufen. Er kam am Abend, nachdem er im Krankenzelt die letzten Fälle von Wundbrand und Sonnenstich behandelt hatte. Er verneigte sich und nahm dankbar von der kalten, sauren Milch, die ich ihm anbot.
»Was kann ich für Euch tun, meine Kaiserin?« fragte er mit einer Stimme, die nie den warmen Ton ihrer Heimat im südlichen Europa verloren hatte. »Wünscht Ihr Körperpuder aus frischem Talkum? Ich habe noch welchen in meinen Kisten. Eure Tinktur aus Grasse jedoch, so fürchte ich, ist eingetrocknet.«
Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Nichts von alledem, Meister. Schneid mir die Haare«, sagte ich knapp. Er starrte mich einen Augenblick lang an. »Bitte, meine Kaiserin?« wiederholte er dann unsicher. Eine Frau ohne lange, volle Flechten war keine Frau in seinen Augen.
»Meine Haare stören mich in der Hitze, draußen bei den Soldaten. Sie er sticken mich, und meine Kopfhaut dampft nach nur wenigen Minuten in der Sonne. Ab damit«, bestimmte ich. Er wollte zu einem Krug mit Wasser greifen, doch ich schüttelte den Kopf. »Das Wasser ist dafür nun zu wertvoll. Schneid’ sie mir trocken ab.«
Er gehorchte, und seine Finger strichen mit angenehmem, festem Druck über meine Kopfhaut, ehe er seine Klinge ansetzte. Ich spürte das scharfe Metall kühl an meinem Nacken. Ich schlang mir wie die Frauen der Berge um Derbent Tücher um den Kopf und konnte so den gesamten Tag bei den Truppen verbringen. Peter musterte mich am Abend über den Tisch hinweg mit leerem Blick und sagte nichts. Als er sprach, waren es endgültige Worte. »Wir können nicht mehr bis nach Baku, matka .«
Ich tauchte schwarzes Brot
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