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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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selber und begann zu winken. Es gab kein Zurück mehr.
     
    Vor der Uspenski-Kathedrale lösten sich einige Männer von der neu geschaffenen Kavallerie-Garde. Dieser Leibgarde gehörten Alexander Danilowitsch und der Prinz Repnin an, während mir mein kum Fjodor Matwejew Apraxin und der Prinz-Pope Buturlin ihre Hände reichten. Fjodor Matwejew lächelte und murmelte: »Ich freue mich so, meine Herrin, ich könnte sterben.«
    Am Vortag noch hatte ich ihm einen spaßigen kleinen Brief in das Moskauer Haus seiner Familie gesandt. Ich musterte ihn nun mit gespielter Strenge: » Kum Apraxin, hast du meine Order befolgt?« fragte ich ihn leise. Er grinste schief und zuckte verlegen mit den Schultern. »Ja, Mütterchen, Herrin. Na ja, fast … Ich kann doch nicht zu deiner Krönung nüchtern erscheinen! Was wären denn das für Sitten. Ich hätte den ganzen Morgen über Kopfschmerzen!« sagte er dann flehend. Ich schüttelte tadelnd den Kopf.
    Er fügte hastig hinzu: »Aber ich habe nur ein kleines Glas gekippt, oder zwei! Meine Keller hier in Moskau sind leer. Das müssen meine Diener gewesen sein. Ich werde sie peitschen lassen«, sagte er und lachte.
    Sein Scherz machte auch mich lachen, und wie von selbst schienen alle Farben noch bunter, die Musik noch froher. Beide Männer hielten meine Unterarme, und gemeinsam begannen wir den langen Weg durch das Kirchenschiff. Die Kathedrale schien mir ein Meer von Gesichtern: Der Hof hatte Karten für das Ereignis erstehen müssen. Ich fand mit meinen Pagen und dem Prinzen Golizyn und dem Baron Ostermann, die meinen Mantel trugen, meinen Schritt. Viele Gesichter in der Menge waren mir vertraut, und doch vergaß ich sie sogleich: So starr hatte ich meinen Blick auf den Hochaltar gerichtet. Dort, klein, ganz klein, wie mir schien, stand der General James Bruce, der meine Krone auf einem Samtkissen hielt. Sie war schwer: Als ich näherkam, sah ich die Schweißtropfen auf seiner Oberlippe stehen. Mein Kleid schien mich zu erdrücken. Es dauerte viele Augenblicke, bis ich neben Peter auf einem der beiden Throne unter dem Baldachin aus rotem Samt Platz nehmen konnte. Graf Peter Andrejewitsch Tolstoi wies als Marschall die Menge an, nun auch Platz zu nehmen. Mein Atem ging jetzt wieder regelmäßig, und ich bemühte mich, Peters Gesichtsausdruck von Ruhe und Würde nachzuahmen. Er blinzelte mir zu und schien einen Wimpernschlag danach wieder wie aus Stein gemeißelt.
    Feofan Prokopowitsch erhob sich, um als Erzbischof von Nowgorod die Messe zu eröffnen. So endlos zäh mir die Minuten am Eingang der Kathedrale noch erschienen waren, so rasch schien die Zeit nun zu verfliegen: Prinz Wassili Dolgoruki erhob sich zu einer Fürbitte. Er sank auf die Knie, und mit ihm alle Menschen in der Kathedrale. Peter ließ seinen Blick einen Augenblick über die gebeugten Rücken schweifen. Auch er erhob sich und gab mir ein Zeichen. Ich trat mit der Hilfe meiner Kavaliere vor ihn hin und hob den Kopf. Meine Augen legten sich in die seinen.
    »Knie nieder, Katharina Alexejewna.« Seine Stimme tönte von der gewölbten Decke der Kathedrale wider. War mir vorher unerträglich warm in meinem Gewand gewesen, so jagten nun Schauer über meine Haut. Meine vier Begleiter traten nach vorne, um mir beim Niederknien zu helfen. Die zwölf kleinen Pagen sanken nun ebenfalls zu Boden und drückten ihre Stirn auf den kalten Stein der Kathedrale. Vollkommene Stille senkte sich über das Gotteshaus. Selbst das Volk vor den Toren der Uspenski-Kathedrale war verstummt.
    Ich hielt den Kopf sehr gerade. Feofan Prokopowitsch trat vor mich. Seine Finger zeichneten mit warmem, duftendem Öl ein Kreuz auf meine Stirn. Er murmelte seinen Segen. Ich seufzte und schloß einen Augenblick die Augen. Der Duft des Öls betäubte meinen angespannten Geist. Feofan verschmolz mit dem Gold und den Schatten der Kathedrale.
    Vor meinen Augen drehte sich alles. Nur ein Mensch stand unendlich still: Peter.
    Er nahm die Krone, in die das Herzblut des kleinen Juweliers aus Sankt Petersburg eingeschmiedet war, mit ausgestreckten Armen auf. Ich fühlte ihn mehr damit näherkommen, als daß ich ihn wirklich sah. Seine Worte verloren sich in dem Blut, das in meinen Ohren toste und rauschte. Ich schloß die Augen, und alles, woran ich mich erinnere, ist das Gewicht der Krone auf meinem Kopf: Ein scharfer Schmerz schoß von meinem Kopf durch meinen angespannten Nacken hin zu meinen Schultern. Vor meinen Augen zuckten rote Blitze, und doch legten

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