Die Zarin (German Edition)
gefertigt werden: Peters Gewand jedoch wollte ich selber für ihn nähen, Stich für Stich! Ich wählte aus dem Musterbuch himmelblauen Taft aus und bestellte viele arschin davon. Dazu wählte ich Silberborten, um die Jacke, die Peter bis zu den Knien reichen sollte, einzufassen. Der Silberschmied sollte mir einen Gürtel aus Silber fertigen, und aus Koketterie wählte ich flammendroten Seidenzwirn für die Strümpfe. Der Preis, den der Kaufmann mir dafür nannte, war ungeheuer: Ein Silberfaden, den ich in das Gewand unter Hunderten von anderen einsticken sollte, konnte einem Dragoner zwei Jahre Sold bezahlen. Ich jedoch zögerte keine Minute und gab Wilhelm Mons die Anweisung, die Bestellung in meinem Namen zu unterzeichnen.
Es war Ende März, als die vornehmen Familien aus Sankt Petersburg den Befehl erhielten, unverzüglich packen zu lassen und sich auf die Reise nach Moskau vorzubereiten. In den Bäumen entlang des Newski-Prospekt hingen noch letzte Eistropfen, doch die weiche Luft und erste Sonnenstrahlen kündigten einen zeitigen Frühling an. Ein endloser Troß von Karossen und Wagen zog zu Land nach Moskau. Das Wasser schien lebendig vor Booten, die die frühe Ankunft der ottepel nutzten, um nach Moskau zu segeln. An den Ufern bogen sich die Bäume mit jungem Grün im frischen Wind, und Kinder liefen mit unseren Schiffen mit, bis ihnen die Füße versagten. Die Wolken rollten über unsere Köpfe hinweg, und der Wind blies die Sorgen aus meinem Herzen weit über das Land. Dennoch, oft mußte ich mich in meine Kabine zurückziehen und die Augen schließen, bis sich mein Geist beruhigte: In einem anderen Leben hatte ein Mann mich für ein Silberstück erstanden. Nun sollte ich gekrönt werden. Wilhelm Mons gelang es in diesen Augenblicken, unter einem Vorwand in meine Kabine zu schlüpfen. Seine starken Arme schlangen sich um mich, und er hielt mich fest an sich gedrückt, bis ich wieder regelmäßig atmen konnte. Ich las meine Angst in seinen Augen, und er küßte mich, bis sein Herzschlag an dem meinen alle Bedenken verstreute.
Schließlich sah ich die tausend Zinnen und Türme von Moskau wieder: Es war nicht meine Stadt, wie nur Sankt Petersburg es sein konnte. Aber es war doch die Stadt meiner glanzvollsten Stunde.
Es war am siebten Tag des Monats Mai, als ich die goldene Kutsche im innersten Hof des Hauses von Alexander Danilowitsch Menschikow in Moskau bestieg. Peter selber streckte seine Hand aus, damit ich in meinem schweren Kleid das Gleichgewicht bewahren konnte. Er lächelte mir ermutigend zu: »Meine Katerinuschka. Nun heißt es, sich aufrecht halten«, murmelte er. Meine Hand zitterte, als ich sie in seine legte. Die Finger schlossen sich warm um meine kalte Haut. »Hab’ keine Angst. Nie hat dir so wenig Schlechtes passieren können wie heute und hier«, beruhigte er mich.
Ich nickte wie betäubt und hob den Rock meines purpurfarbenen Samtkleides. Der Samt war ein zu warmer Stoff für den Mai, aber Peter hatte nicht mit sich reden lassen. Die Robe war nach spanischer Art geschnitten, mit einem hohen Spitzenkragen, und der Stoff war unter all der Goldstickerei steif wie ein Brett. Vier der zwölf Pagen, die meine Schleppe trugen, eilten herbei und falteten sie, so daß ich in die Kutsche steigen konnte. Die Knaben, allesamt Söhne von Peters treuen Helfern, sahen allerliebst aus in ihren Westen aus grünem Samt, den blonden Perücken und weichen Mützen, auf denen weiße Straußenfedern wippten. Sie hoben die Schleppe gemeinsam an, und ich befreite meinen Hals kurz von dem Druck der Diamantschließen, die den über der Schleppe liegenden Mantel hielten.
Über die Mauern des Kreml dröhnten nun die Kanonenböller. Die Glocken der Stadt begannen zu läuten. Es war unmöglich, auch nur sein eigenes Wort zu verstehen. Die Tore öffneten sich, und sobald das Volk auf dem Roten Platz die goldene Kutsche mit der kaiserlichen Krone auf dem Dach sah, brandete Jubel auf. Die Garde hob die Trompeten an die Lippen, und Trommeln dröhnten in einem raschen, dumpfen Rhythmus. Auf dem Platz, vor dem ersten Eingang zum Kreml, begannen die Musikanten von Peters beiden liebsten Regimentern aufzuspielen.
Zwei Schwalben schwirrten von den Mauern des Hauses durch den Hof. Ihre Augen funkelten mich herausfordernd in einem fremden Glanz an. Die zwölf Schimmel vor unserer Kutsche bäumten sich auf, und dem Kutscher in seiner engen Livree brach der Schweiß aus. Ich lächelte, und meine Hand hob sich wie von
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