Die Zarin (German Edition)
Soldaten kehrten im Winter aus Persien nach Sankt Petersburg zurück. Ihre Uniformen leuchteten bunt in den geschmückten Schlitten, die sie über die Newa zogen. Das Volk jubelte an den Ufern, und Peter ließ schon in der Dämmerung des Nachmittags Raketen und anderes Feuerwerk aufsteigen. Er schlug selber die Trommel, bis ihm die Arme lahm wurden: Der Feldzug war ein Erfolg gewesen. Peter drohte dem Befehlshaber Prinz Boris Kurchistanow die Todesstrafe an, sollten seine Soldaten plündern und brandschatzen. Seit den geschleiften, verkohlten Mauern von Marienburg war viel Zeit vergangen, dachte ich bei mir. Dennoch schrieb Peter in meinem Beisein an den Prinzen: »Du schreibst, daß Du es nicht wagst, mit harter Hand zu handeln, selbst wenn dies notwendig scheint. Ich aber sage Dir nur, daß Du keine überflüssige Gewalt anwenden sollst. Ansonsten bedenke: Oni ne takoi narod, kak w Ewrope … Diese Menschen sind nicht wie wir oder wie die europäischer Völker …«
Ich stand am Morgen des Truppeneinzugs am Fenster meines Schlafgemaches und sah auf die prachtvolle Stadt aus gleißendem Schnee, die mir zu Füßen lag. Die Hände meines Kammerherrn Wilhelm Mons strichen dabei unter meinem bodenlangen Pelzmantel über meinen nackten Körper, bis ich seinem Drängen dort, zwischen den Samtvorhängen, nachgab. Nun, nach unserer Rückkehr in die Stadt, lebten wir unsere Liebe weiter, als sollte es kein Morgen geben.
Doch der Rausch an Leben und Lust schmeckte so süß, wie kein dauerhaftes Glück es tun kann.
Peter gab seine Entscheidung, mich krönen zu lassen, in einem schlichten Ukas bekannt:
»Könige und Kaiser aller Zeiten haben ihre Gefährtin, die ihnen im Frieden wie im Krieg treu geblieben ist, krönen lassen. Niemand anders als Unsere geliebte Kaiserin, Katharina Alexejewna Romanow, ist sich der Gefahren und der Last eines Lebens unter der Zarenkrone so bewußt. Niemals hat sie die Schwäche ihres Geschlechts bewiesen, sondern war ohne Fehl, voll Stärke und Mut. Wir wollen ihre Treue anerkennen, und in der Macht Gottes, die er Uns verliehen hat, werden Wir sie krönen: im kommenden Jahr, in Moskau.«
Zum Julfest setzte Peter meine Krönung dann für das Ende des Maimondes an.
»Kein anderer Monat, Katerinuschka, ist golden genug, um diesen Tag zu feiern!« sagte er, gerade als die Gaukler über den Parkettboden des Festsaales wirbelten und zwei seiner Zwerge zu einem Ringkampf ansetzten, bei dem der Mohr Abraham Petrowitsch als Schiedsrichter wirkte. Die Türen öffneten sich, und Diener trugen schwere Platten mit gefüllten Auerhähnen, Kessel voller Flußkrebse, Platten mit Wild und Schüsseln mit eingelegtem Gemüse herein. Ich bediente mich aus den flachen Silberschalen mit Kaviar. Wilhelm Mons hatte mir gesagt, daß sein Genuß die Liebe anspornte, auch wenn ich in diesen Tagen nicht bei ihm sein konnte. Als ich den Kopf hob, prostete er mir gerade mit einem strahlenden Lächeln zu. Peter sah dies und runzelte die Stirn. »Der junge Mons ist reichlich frei. Wie macht er sich in deinem Staat?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Klagen gehört.« Meine Stimme klang gleichgültig, und ich erwiderte Wilhelm Mons’ Geste nicht, sondern begann, Peter mit blintschiki voll geräuchertem Stör zu füttern.
»Mmmm, schmeckt das gut«, schmatzte er und saugte an meinen Fingerkuppen. Er träufelte Zitrone über meinen Hals und leckte über meine Haut. Dabei fiel ihm meine Halskette ins Auge: Es war das prachtvolle Stück, das Menschikow mir geschenkt hatte. Er stutzte. »Woher hast du die Kette, Katerinuschka? Solche Steine gibt es nur selten in meinem Reich. Wer hat sie dir geschenkt?« fragte er mit mißmutig verzogenem Mund.
»Alekascha hat sie mir geschenkt, damals, als du ihn wieder in Gnade aufgenommen hast. Er war mir so dankbar für meine Vermittlung«, gab ich arglos zu.
Peter atmete tief durch und strich sich die Haare nach hinten. »Katerinuschka, du vor allen anderen solltest keine Geschenke annehmen. Selbst dann nicht, wenn sie von Menschikow kommen. Oder dann gerade erst recht nicht! Kein Vorwurf, den man gegen ihn erheben kann, soll dich beschmutzen, begreifst du nicht? Wie kannst du das nur tun? Ich möchte, daß es eine Person in meinem Reich gibt, die von weltlichen Gütern unbeeinflußbar ist – und die sollst du sein!« Er schien sich in Zorn zu reden, so daß ich ihn rasch küßte. »Natürlich, mein Herr. Wie gedankenlos von mir. Komm jetzt, starik , dies ist ein
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