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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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das Tuch vom Kopf.
    »Sie hat schöne Haare«, sagte die eine.
    »Und die Figur?« fragte eine andere neugierig.
    »Das kann man nicht sehen unter dem dicken Mantel und dem Hemd – das wird Natalja erledigen!«
    Alle lachten, auch der Fuhrmann, aber sie verstummten, als Natalja den Gang entlanggewatschelt kam. Sie sah furchterregend aus. Ihr Körper war gewaltig – verglichen mit ihr war die fette Sofia eine normal gebaute Frau gewesen! Ihr flammendrotes Kleid war nach deutscher Art eng um ihren schwabbeligen Bauch geschnürt, und sie hatte feine schwarze Haare auf der Oberlippe. Ihr Kopf jedoch schien unter der lächerlich aufreizenden Spitzenhaube kahl zu sein, denn es sah kein Haar neben den Ohren hervor. Ihr Gesicht war breit und ihre Haut fahl. Zudem hatte sie fast weiße Wimpern und Augenbrauen, was ihrem Gesicht jeden Ausdruck raubte. Ich wich einen Schritt zurück, doch der Fuhrmann packte mich fest am Arm. Es schmerzte, und ich wand mich etwas.
    »Natalja! Mutter! Es ist schon lange her …« Er verneigte sich spaßhaft vor ihr, und sie versetzte ihm eine leichte Ohrfeige.
    »Ja, lange her – aber glaube nicht, daß ich deine Schulden vergessen habe, du Lump!«
    Dann lachte sie und drückte ihn einen Augenblick an ihren ausladenden Busen. Er küßte sie auf beide Wangen, die dick mit Zinnoberpaste beschmiert waren.
    »Was führt dich heute wieder einmal her, Michael? Kommst du, um deine Schulden zu bezahlen?« fragte sie dann und ließ schon ihre Augen neugierig und abschätzend über mich gleiten. Was sie sah, gefiel ihr offensichtlich.
    »Besser noch, viel besser!« lachte er. »Frischfleisch für Mutter Natalja! Das Mädchen hier! Sie war auf meinem Fuhrwerk von Walk – komm her, Mädchen. Ich habe sie gesehen und gleich an dich und dein ehrenwertes Haus gedacht. Sie hat keine Eltern und sucht Arbeit.«
    Alle im Gang lachten, und er schob mich unter die Kerze, die an der Wand hing. Natalja nickte zufrieden. »Arbeit! Na, die werden wir reichlich für so ein feines Ding haben! Ein hübscher Fang! Augen wie eine Katze! Deine Mutter muß Absinth getrunken haben, Kind, so grün sind sie! Und ein schöner, voller Mund – da wird einem Mann so manches einfallen!«
    Der Fuhrmann grinste zufrieden. »Hab’ ich’s doch gewußt!«
    »Bring’ sie hier herein. Da kann ich sie besser sehen«, befahl Natalja knapp. Sie schloß eine Tür zu unserer Rechten auf.
    Keine zehn Pferde sollten mich da hineinbringen, beschloß ich und drehte mich um. »Ich will gehen«, sagte ich mit belegter Stimme und griff nach meinem Bündel, das der Fuhrmann sich unter den Arm geklemmt hatte.
    »Gehen? Kommt ja gar nicht in Frage!« antwortete er roh und stieß mich durch die Tür in das Zimmer. Darin war eine mit Stroh gefüllte Matratze am Boden, einige Stühle und ein Tisch mit einem mehrarmigen Leuchter. Ich hatte den Eindruck, in der Ecke eine Ratte huschen zu sehen. Es roch nach Moder im Raum. Natalja zündete schwer atmend die Kerzen an, und in dem kleinen Zimmer verbreitete sich ein weiches Licht.
    »Nimm ihr den Mantel ab!« sagte sie knapp zum Kutscher.
    Ich zappelte unter seinem Griff, aber er war stärker und streifte mir ohne viel Federlesens den tulup ab.
    »Nein! Laß mich los! Gib mir mein Bündel! Ich will gehen!« schrie ich. Die anderen Mädchen, die in der Tür standen, kicherten.
    »Ihr Bündel! Hast du das gehört!«
    »Sie will gehen!« Sie keckerten spöttisch wie Elstern in den Bäumen und klatschten vor Freude in die Hände.
    »Du gehst, wenn ich es sage!« sagte Natalja kalt. »Halt sie fest, die Wildkatze!« befahl sie Michael. Er packte meine Arme und bog sie nach hinten. Ich keuchte vor Schmerz und konnte mich nicht mehr bewegen. Natalja zwang meinen Kiefer auf.
    »Hm – du hast sogar noch alle Zähne! Schön weiß sind sie auch …« Dann strich sie mir über die Haut und den Hals. Schließlich nahm sie mein Tuch ab und löste meinen Zopf. Sie fuhr mit den Händen durch mein Haar und nickte zufrieden.
    »Die wird uns gut was einbringen! Ich kann sie unter den Schweden versteigern – sie hat was Besonderes!«
    Michael lachte, und ich spürte durch mein Kleid, wie er sich von hinten an mich drückte. »Sie hat was Besonderes? Und ob! Einen Busen wie eine Milchmagd!« Er legte eine seiner schmutzigen Hände auf meine Brust. Ich schrie auf, und alle lachten wieder grell. Das Mädchen, das vorher mit dem Schweden beschäftigt gewesen war, stand noch immer schamlos halbnackt in der Tür. Sie hatte ihren

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