Die Zarin (German Edition)
Arm nun um eine dunkelhaarige, stark geschminkte Tatarin gelegt und meinte: »Daran gewöhnst du dich besser, meine Beste! Feine damy sind hier fehl am Platz!«
Natalja musterte mich weiter und betastete nun vollkommen ohne Scham meine Brüste, meinen Leib und meinen Hintern. Schließlich sah sie mich scharf an.
»Wie alt bist du?«
»Fast siebzehn Jahre«, antwortete ich verzweifelt. War dies meine Strafe für mein Verbrechen an Wassili? Sollte ich in einem Hurenhaus enden? Kannte Gott keine Gnade?
»Hm.« Sie schien zufrieden mit meiner Antwort zu sein. »Bist du noch Jungfrau, Püppchen?«
Ich senkte die Augen und schüttelte beschämt den Kopf. Die Mädchen lachten wieder.
»Schau an, schau an … sieht aus, als könne sie kein Wässerchen trüben mit ihrer Stupsnase!« meinte die Halbnackte wieder. »Wer war es denn? Der Pferdebursche im Stroh oder der Kutscher? Oder war es ein Soldat auf der Durchreise?« Wieder lachten alle klirrend.
Natalja ohrfeigte mich plötzlich. »Dummes Ding! Unberührt wärst du ein Vermögen wert! Aber das kriegen wir schon hin! Man kann alles hinkriegen! Männer sind ja so leichtgläubig …«
Dann wandte sie sich an Michael. »Was willst du für Sie? Ich erlasse dir deine Schulden, wenn du willst. Heute abend kommen die neuen Grenadiere, da kann ich sie gut einführen.«
Die Tatarin kicherte und meinte: »Oder du kannst die Grenadiere gut einführen!« Die Mädchen lachten wie toll über den widerlichen Scherz. Ich hatte nicht übel Lust, ihnen die Augen auszukratzen.
Michael lachte auf und zog meine Arme fester zusammen. Ich stöhnte auf.
»Meine Schulden erlassen? Ha, du machst wohl Scherze! Glaubst du, ich weiß nicht, was sie wert ist, das Täubchen? Ich will zudem noch zehn Rubel …« Er zögerte kurz, und Natalja atmete ob der für meine Begriffe unerhörten Summe scharf ein – es war mehr, als die meisten Menschen in einem Jahr verdienten! Dann fuhr er fort: »… und ich will hier in dem Haus der erste sein, der sie nimmt. Gleich hier!« Er zeigte auf die Matratze.
Natalja sah unwillig aus, doch die Mädchen klatschten in die Hände und lachten.
»Das hat er sich nur verdient, der Fuhrmann!«
»Dürfen wir zusehen? Bitte Natalja!«
Die zuckte letztendlich die Schultern und sagte dann mürrisch: »Also gut. Aber gleich hier und jetzt. Vor unseren Augen – nicht, daß du dann mit ihr wieder verschwindest! So kann ich auch gleich sehen, ob sie was taugt! Meine Kerls mögen Mädchen, die ordentlich maunzen im Bett! Aber sei nicht wieder so grob, ja, ich will nicht, daß du sie mir für heute abend verdirbst! Keine blauen Flecken, sonst prügele ich dich selber weich!« fügte sie hinzu.
»Nein!« schrie ich auf und versuchte mich aus seinem Griff freizumachen. »Laß mich los, du grobes Schwein!« Ich trat um mich, doch er schob mich nur lachend zu der verlausten Matratze mit dem faulen Stroh. Ich mußte hier raus, sofort, sonst war ich verloren!
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Natalja uns ungerührt betrachtete. Sie ließ sich mit ihrem breiten Gesäß auf einen der Stühle gleich neben uns nieder und seufzte. Dann kramte sie in dem Beutel, den sie um ihren Hals trug, und förderte einige Münzen zutage. Sie begann, sie leise zu zählen. Die Mädchen flüsterten und kicherten im Hintergrund. Jetzt oder nie! Ich versuchte mich mit einer kräftigen Drehung von Michael zu lösen, bekam tatsächlich eine Hand frei und schlug Nataljas Handgelenk nach oben. Sie schrie auf, und die Münzen flogen in hohem Bogen durch die Luft, ehe sie klirrend im Gang und im Zimmer zu Boden fielen. Michael ließ mich vor Überraschung los, und die Mädchen stürzten sich augenblicklich wie Aasvögel auf das Geld. Michael versuchte, sie mit Tritten und Flüchen zu vertreiben. Auch Natalja schrie grell auf und versuchte, die Mädchen auseinanderzubekommen, indem sie deren Köpfe an den Haaren nach hinten riß. Ich nutzte den Moment der Verwirrung und stürzte mit offenem Haar in den Gang, die Treppe hinunter und aus dem Haus hinaus.
Draußen auf der Straße fiel noch immer Schnee in dichten Flocken. Ich lief und lief, ohne Richtung und ohne Sinn. Dabei strömten mir die Tränen über die Wangen, und ich konnte vor Schreck und Erschöpfung kaum mehr atmen. Schließlich ging ich nur noch mit Mühe, denn bei jedem Schritt sank ich bis über die Waden in den Schneematsch ein. Der Saum meines Kleides war vollkommen durchweicht und schmutzig. Die Sohlen meiner alten Stiefel wurden
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