Die Zauberer 01 - Die Zauberer
königliche Berater. Und noch mehr ärgerte es ihn, dass sein Regent dem Zauberer direkt Antwort gab, ohne auch nur noch ein einziges Mal nach Ardghals Meinung zu fragen. »Ich gebe zu, Meister Palgyr«, sagte Elidor, »Euer Plan gefällt mir. So werden wir es machen.«
»Euer ergebener Diener, Majestät«, erwiderte Palgyr und verbeugte sich tief.
28. DYSBARTHAN
In der Bibliothek von Shakara lagerten Schätze von unschätzbarem Wert nicht solche aus Gold und Edelstein, auf die Menschen oder Zwerge so begierig waren, sondern Reichtümer des Wissens und der Literatur, die dort gesammelt wurden, seit zum ersten Mal ein Elf seinen Fuß auf amber gesetzt hatte. Und anders als die Menschen hatten die Elfen einen Weg gefunden, ihr Wissen auf Dauer zu bewahren.
Schriftrollen oder gebundene Folianten, wie es sie in schier unüberschaubarer Zahl auch in der Bibliothek von Shakara gab, hatten nur eine begrenzte Lebensdauer, zumal in der Kälte des Nurwinters. Die Bibliothek der Ordensburg jedoch war für die Ewigkeit errichtet und sollte auch dann noch als Quell der Erkenntnis und Hort der Kunst dienen, wenn ihre Erbauer Erdwelt längst wieder verlassen hatten. Deshalb vertrauten die Elfen ihre Wissensschätze und literarischen Ergüsse nicht nur aus Holz gewonnenem Papier oder Tierhäuten an, sondern auch der Macht der Kristalle, von denen sich einige dazu eigneten, die Gedanken telepathisch begabter Zauberer aufzunehmen und in ihrem Inneren zu speichern, unvergänglich, für alle Zeit. Atgyva war der Name der alten Meisterin, die in diesen Tagen als Einzige über die Gabe des dysbarthan verfügte - so wurde jene Fähigkeit genannt, die vonnöten war, das Wissen, das Syolan und andere Gelehrte und Geschichtskundige auf Papier und Tierhäuten sammelten, in die Kristalle zu übertragen. Aufbewahrt wurden jene Kristalle, von denen einige nur fingerlang waren, andere, die umfassendere Aufzeichnungen enthielten, jedoch fast Mannsgröße aufwiesen, in Vertiefungen, die man in das Eis geschmolzen hatte.
Da Wissen und Kunst Dinge sind, deren Wachstum unkontrolliert erfolgt, gab es sowohl bei den schriftlichen Hinterlassenschaften als auch bei den Kristallen keine Ordnung nach thematischen Gebieten; Geschichtschroniken lagerten unmittelbar neben Gedichtbänden, Abhandlungen über Flora und Fauna Erdwelts wurden zusammen mit mathematischen Kommentaren, geographische Texte zusammen mit philosophischen Traktaten, astronomische Beobachtungen mit Liedern und Balladen aufbewahrt. Es war einzig das Gedächtnis der Obersten Bibliothekarin, das den Unterschied ausmachte zwischen reicher Themenvielfalt und unüberschaubarem Chaos. Atgyva war alt, und es hieß, dass sie schon bald ihre Reise zu den Fernen Gestaden antreten wollte; jedoch würden die Ordensmeister sie erst aus ihren Diensten entlassen, wenn eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gefunden war, dem das verantwortungsvolle Amt des Wissenshüters übertragen werden konnte. Denn ein Volk ohne Wissen, ohne Kunst und ohne Vergangenheit war, wie Syolan, der Schreiber, nie müde wurde zu betonen, falfahilai daigynt... Wie Blätter im Wind.
Die Novizen, die in Shakara in die Geheimnisse der Magie eingeweiht wurden, waren vollauf damit beschäftigt, die Mysterien zu begreifen, die ihre Meister ihnen darzulegen versuchten, und wenn sie die Bibliothek aufsuchten, dann nicht, um den Wissensschatz der Elfen mit eigenen Beiträgen zu bereichern, sondern um zu lernen. Meisterin Atgyva hatte dafür gesorgt, dass klassisches Lehrmaterial zur Verfügung stand, und so mussten die Zauberschüler ihre Nase ebenso in Schriftrollen und Bücher stecken, wie es Studenten außerhalb Shakaras taten, sei es in den Hainen der Elfen, an den Zunftschulen der Menschen oder in den Gildeburgen der Zwerge.
Die meisten Novizen nahmen dies als gegeben hin, einer jedoch schien es geradezu als Schmach zu empfinden.
»Schwachsinn«, zischte Aldur zum ungezählten Mal, während er im Lesesaal der Bibliothek saß, über ein Exemplar von Saithians
Abhandlung über die Kraft des elfischen Willens gebeugt. »Absoluter Schwachsinn ...«
Alannah, die am anderen Ende des Tisches saß, blickte verärgert auf. »Sag mal«, fragte sie, »könntest du das unterlassen? Es ist dem Verständnis eines Textes nicht zuträglich, wenn man bei der Lektüre immerzu unterbrochen wird.«
»Ach ja?« Er deutete auf die Bücherstapel, die sich zwischen ihnen auf der Tischplatte türmten. »Hast du dich noch nie gefragt, wieso wir das
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