Die Zauberer 01 - Die Zauberer
entsprechenden Befehl gab, wollten Farawyns Bewacher ihn sogleich über die Kante in die grün schimmernde Tiefe stürzen. Nichts schien ihn mehr retten zu können - als das Geschehen plötzlich eine unerwartete Wendung nahm!
Rurak, der im einen Moment noch triumphierend gelacht hatte, verstummte abrupt. Verblüfft senkte er den Blick und sah den Dolch, der in seiner Seite steckte. Der Griff war mit Tiersehnen umwickelt, und ein blank polierter Knochen bildete den Knauf - ohne Frage die Waffe eines Orks!
Granock, ebenso wie alle anderen, brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es der Unhold gewesen war, der sich unbemerkt an den Zauberer herangeschlichen und ihm die Klinge bis zum Heft in den Leib gerammt hatte. Aus unersichtlichem Grund hatte sich der orkische Novize plötzlich gegen seinen Meister gewandt, und nun stand er da, schwer atmend, und glotzte den verwundeten Zauberer stieren Blickes an.
Einen Herzschlag lang schien die Zeit stillzustehen, geradeso als hätte Granock von seiner Fähigkeit Gebrauch gemacht. Im nächsten Moment brach Chaos aus.
Rurak verfiel in wüstes Geschrei und versuchte, sich den Dolch aus dem Leib zu ziehen, was ihm jedoch nicht gelang. Labhras und Sgruthgan, die beide zu Tode erschrocken waren, riefen wild durcheinander und erteilten unterschiedliche Befehle, sodass Erwein und seine Männer Augenblicke lang nicht wussten, was sie tun sollten.
Und Granock handelte.
Seine beiden Bewacher waren ebenso abgelenkt wie alle anderen, und es gelang ihm, einem der Krieger blitzschnell die Klinge zu entwinden, die ihn bedrohte. Der Krieger gab eine halblaute Verwünschung von sich, die ihm jedoch auf den Lippen gefror, als ihm sein eigener Stahl in die Eingeweide fuhr. Stöhnend sank der Mann nieder, und noch ehe sein Kumpan begriff, was geschehen war, hatte Granock auch ihm eine klaffende Wunde beigebracht. Granock fuhr herum und sah, dass Aldur und Alannah die Verwirrung ebenfalls genutzt hatten, um ihre Bewacher zu übertölpeln. Granocks Sorge galt jedoch zuvorderst seinem Lehrer.
Mit einem gewagten Sprung setzte er über den Schacht, an dessen Kante Farawyn erbittert mit seinen Bewachern rang. Einer der Menschenkrieger geriet an den Rand der Grube, worauf das alte
Gestein unter seinen Füßen wegbröckelte und er das Gleichgewicht verlor. Mit einem heiseren Schrei verschwand er in der Tiefe, und sogleich verstärkte sich das grüne Leuchten, denn der Dunkelelf hatte neue Lebenskraft erhalten, doch ein einzelner Mensch reichte noch lange nicht aus.
Der andere Wächter sprang zurück. Den Griff des Schwertes beidhändig umklammernd, wollte er Farawyn den Kopf abschlagen. Dass ihm dies nicht gelang, war Granock zuzuschreiben, der zwischen die beiden fuhr. Er führte einen kraftvollen Schwertstreich, den sein Gegner allerdings parierte. Dann ging Erweins Scherge zum Gegenangriff über.
Granock blockte den Hieb ab, der jedoch mit derartiger Wucht geführt war, dass der Novize ins Taumeln geriet, hinter ihm der gefährliche Abgrund. Der Soldat wollte nachsetzen - als Farawyn zur Stelle war.
Er war zur Seite gesprungen und hatte seinen Zauberstab vom Boden aufgelesen, um ihn als Schlagwaffe einzusetzen. Das untere Ende des flasfyn sauste herab und traf Erweins Büttel am Helm. Das Eisen und die Kettenhaube darunter vermochte der Hieb natürlich nicht zu durchdringen, aber der Soldat war abgelenkt und wusste einen Augenblick lang nicht, wen von seinen beiden Gegnern er als Nächstes attackieren sollte.
Granock nahm ihm die Entscheidung ab und rammte seinem Widersacher die Klinge tief in den Bauch. Knirschend durchdrang der Stahl das Kettengeflecht der Rüstung und wühlte sich durch Fleisch und Eingeweide, während sich die Augen des Kriegers in stillem Entsetzen weiteten. Er kippte zurück und riss damit die Klinge aus Granocks Hand, der sich sogleich Ersatz besorgen wollte
- als er Ruraks heiseren Ruf vernahm.
»Halt!«
Granock und sein Meister fuhren herum.
Wie sie feststellen mussten, hatte sich Rurak den Dolch aus dem Leib gerissen. Die Wunde war tief, hatte jedoch offenbar kein lebenswichtiges Organ verletzt. Die linke Hand auf die Seite pressend, konnte sich der Verräter einigermaßen aufrecht halten - und mit der Rechten hielt er die Orkklinge an Riwanons Kehle!
»O nein«, ächzte Farawyn entsetzt.
Während es Granock und ihm gelungen war, sich zu befreien, hatten sich Labhras und Sgruthgan auf die Zauberin gestürzt und sie zu ihrem Anführer gezerrt. Der hielt
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