Die Zauberer 01 - Die Zauberer
hatte ihn in die Defensive gedrängt, und das machte ihn in den Augen der anderen Ratsmitglieder verdächtig. Palgyr wusste das. Er hatte einiges Geschick darin, andere zu manipulieren, und brachte dieses Talent rücksichtslos zum Einsatz.
»Natürlich«, sagte er mit listigem Grinsen. »Nun, seid alle versichert, dass ich sowohl meine als auch Sgruthgans Behauptung beweisen kann.« »Dann los«, forderte Farawyn ihn auf, »ich habe nichts zu befürchten. Meine Loyalität gehört dem Rat und dem Orden.«
»Ebenso die meine«, behauptete Riwanon, deren Brust sich in heftigem Zorn hob und senkte.
»So?«, rief Palgyr. »Dann verrate uns, weshalb ihr euch ganz bewusst Novizen gewählt habt, die den Fortbestand sowohl des Ordens als auch dieses Rates infrage stellen!«
Erneut war Palgyr ein Manöver gelungen, mit dem niemand gerechnet hatte. Erst vor wenigen Tagen waren die Zauberer von ihrer cwysta zurückgekehrt, ihrer Suche nach jungen Novizen, die sie wie jedes Jahr in die entlegensten Teile des Reiches geführt hatte. Die Einführung der neuen Schüler und ihre Vorstellung vor dem Rat hatte noch nicht stattgefunden, von daher kam es unerwartet, dass Palgyr dieses Thema zur Sprache brachte.
»Inwiefern?«, wollte Semias wissen.
»Frag die beiden selbst«, forderte ihn Palgyr auf. »Ich bin sicher, sie werden dir viel zu erzählen haben.«
»Tatsächlich?«, wandte sich der Vorsitzende an Farawyn.
»Ich weiß nicht, was Palgyr meint«, behauptete dieser störrisch. »So?«, hakte Palgyr nach. »Entspricht es etwa nicht den Tatsachen, dass du hingegen aller Tradition und unter Umgehung geltenden Rechts die Suche nach jenen, die das Schicksal mit reghas bedacht hat, diesmal auch auf die Städte der Menschen ausgedehnt hast?«
»Auf die Städte der Menschen?«, fragte Semias verunsichert.
»Und dass du dort«, fuhr Palgyr genüsslich fort, den Blick auf Farawyn gerichtet, »auf einen Menschen gestoßen bist, den du in die Geheimnisse unseres Ordens einzuweihen gedenkst?«
Erneut brach Unruhe aus. Zwischenrufe wurden laut, von denen nur die wenigsten Farawyn freundlich gesonnen waren. Palgyr war auf dem besten Weg, den gesamten Rat gegen seinen Rivalen aufzubringen - und dabei hatte er noch nicht einmal gelogen ...
»Was hast du dazu zu sagen, Bruder Farawyn?«, fragte Semias seinen ehemaligen Schüler. »Sicher kannst du die Vorwürfe, die gegen dich erhoben wurden, entkräften.«
»Nein, ehrwürdiger Meister, das kann ich nicht«, gestand Farawyn rundheraus ein, womit er eine neue Welle der Empörung auslöste, tobender noch als die zuvor. Einige Zauberer des rechten Flügels begnügten sich inzwischen nicht mehr damit, ihn zu beschimpfen und mit wüsten Titulierungen zu versehen - hier und dort wurden auch Fäuste geballt und Zauberstäbe drohend gehoben.
»Haltet ein, Schwestern und Brüder!«, rief Semias und reckte beschwörend seinen eigenen Stab empor, doch dem Zorn der Menge war kaum beizukommen. Die Tatsache, dass sich Farawyn erdreistet hatte, einen unwürdigen Menschen in die geheiligten Hallen von Shakara zu bringen, und das hinter dem Rücken des Rates, ließ viele Zauberer, auch jene, die bisher eher auf seiner Seite gestanden hatten, in wildem Zorn entbrennen. Der Vorsitzende musste erneut seine ganze Autorität aufbringen, um die Aufmerksamkeit der Ratsmitglieder zurückzugewinnen.
»Haltet ein!«, rief er noch einmal, und die Falten in seinem von schlohweißem Haar umrahmten Gesicht schienen während der letzten Augenblicke noch tiefer geworden zu sein. »Haltet ein, meine Freunde! Zu allen Zeiten hatte ein jedes Ratsmitglied das Recht, sich zu verteidigen. Wollt ihr eurem Bruder Farawyn dies verweigern?«
Die Reaktion der Ratsmitglieder fiel unterschiedlich aus. Einige schienen sich zu besinnen, andere bebten immer noch vor Zorn und starrten Farawyn feindselig an. Aber auch sie achteten die Autorität des Ältesten. »Nur zu«, verlangte Palgyr spöttisch. »Er soll sich erklären dürfen - auch wenn er den Frevel bereits gestanden hat.«
Hier und dort wurde zwar noch gemurrt und gegrummelt, der Aufruhr jedoch hatte sich gelegt. Alle Blicke richteten sich auf Farawyn, dem in diesem Moment klar wurde, wie sich ein überführter Verbrecher auf der Anklagebank fühlen musste.
Alleingelassen.
Schuldig.
Von allen gehasst...
»Es ist wahr, meine Freunde«, gab er noch einmal zu, »ich bin in den Städten der Menschen gewesen. Und ich habe einen Menschen gefunden, der« Farawyn ließ den
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