Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
hauchte er heiser. Seine Schläfen pulsierten, ihm war speiübel, und seine Augäpfel vermittelten ihm den Eindruck, sogleich platzen zu wollen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er das Bewusstsein verlor. Wenn er etwas unternehmen wollte, dann musste er es jetzt tun, auf der Stelle ...
Was hatte er zu verlieren?
»Komm näher ...«, krächzte er.
»Wozu?«
»Muss dir etwas ... sagen ...«
Ihr Blick verriet Befremden. Der Gedanke an körperliche Nähe schien ihr ebenso abhandengekommen zu sein wie Gnade oder Mitgefühl. Das, dachte Granock bitter, war also die neue Zukunft, die der Dunkelelf seinen Anhängern versprach, die bessere Welt. Gefühle schienen darin ausgelöscht zu sein, und alle Wesen, selbst die sanftmütigsten, würden nur noch das tun, was ihr finsterer Herrscher ihnen befahl. War es das, was Aldur gewollt hatte? War dies das wiedergeborene Elfenreich? Die Rückkehr des Goldenen Zeitalters?
Granock lachte keuchend auf, was das Interesse der Dunklen Königin zu wecken schien. »Was willst du?«, zischte sie noch einmal feindselig, während sie langsam näher kam.
»Muss dir ... etwas sagen«, wiederholte Granock, während sein gepeinigter Geist sich bereits konzentrierte.
Dazu, das große Ganze zu erfassen, war er nicht mehr in der Lage. Er hatte keine Ahnung, weshalb sie zu ihm gekommen war, ob sie Pflichtbewusstsein oder das genaue Gegenteil davon zu ihm getrieben hatte. Aber in dem Augenblick, da Granock erkannt hatte, dass sie allein war und ohne Begleitung ihrer kleinwüchsigen Schergen, da war ihm klar gewesen, dass er handeln würde.
Mit verschwimmenden Blicken sah er sie näher kommen, und er richtete seine ganze verbliebene Kraft darauf, einen letzten, verzweifelten Zauber zu wirken. Nicht, um sein Leben, sondern um seine Erinnerungen zu retten, um noch einmal das wärmende Licht der Sonne auf seinem Gesicht spüren und das Leben zu kosten, wie es einst gewesen war.
Es kostete ihn seine ganze Überwindung und buchstäblich seine letzte Kraft - aber in dem Augenblick, da sie in seine Reichweite kam, verhängte er den Zeitenbann.
Er nahm an, dass es der letzte Zauber war, den er in seinem Leben wirken würde, und er legte all seine verbliebene Leidenschaft, sein ganzes Können und seine ganze Verzweiflung hinein - dennoch war er fast überrascht, als die dunkle Königin plötzlich innehielt und in ihrer Bewegung verharrte.
»A-Alannah«, hauchte er.
Kopfüber von der Decke baumelnd, hob er die zentnerschweren Hände, deren Finger so aufgedunsen waren, dass er sie kaum rühren konnte. Es war schmerzhaft und erforderte eine Menge Überwindung, aber es gelang ihm, sie nach Alannah auszustrecken, ihr Gesicht zu umfassen und sie an sich heranzuziehen. Einen endlos scheinenden Augenblick lang sah er das bleiche, gleichgültige Antlitz der Elfin vor sich schweben, ihre dunkel umrandeten Augen, die dünnen, rabenschwarz bemalten Lippen ... dann nahmen sie, zumindest in seiner Vorstellung, wieder die alte rosige Färbung an, und er öffnete den Mund und presste den seinen darauf.
Die Zeit schien auch für ihn stillzustehen.
Oben und unten, Licht und Dunkelheit, Leben und Tod - die Begriffe der sterblichen Welt schienen keine Gültigkeit mehr zu haben, genau wie damals in jenem glückseligen Moment, der Urzeiten zurückzuliegen schien, als ihre Herzen eins gewesen und Granocks Glück für einen Augenblick vollkommen gewesen war, kurz bevor das Unheil seinen Lauf genommen hatte ...
Granock hielt den Bann aufrecht, so lange er es vermochte. Mit aller Kraft klammerte er sich daran, so als wäre es nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit, die ihm zu entgleiten drohte und die er für immer verlieren konnte.
Obwohl der Schmerz noch zunahm und er das Gefühl hatte, als wollten seine pulsierenden Schläfen bersten, hielt er mit aller Gewalt daran fest. Aber so sehr er sich auch bemühte, so sehr jede einzelne Faser in ihm sich danach sehnte, dieser tristen, tödlichen Gegenwart zu entfliehen, so genau wusste er auch, dass sich die Zeit nicht betrügen ließ. Granock verausgabte sich, konzentrierte sich so lange, bis ihm die Sinne vor Anstrengung zu schwinden drohten.
Dann erlosch der Bann.
9. EFFRUTHAN
Mit einem gellenden Aufschrei prallte Alannah von Granock zurück.
Wegen der dunklen und hellen Flecke, die vor seinen Augen tanzten, konnte er nicht erkennen, was mit ihr vor sich ging, aber ihre Körperhaltung verriet, dass sich etwas verändert
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