Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
hatte. Nicht länger schien sie von jenem unnachgiebigen, tödlichen Hochmut erfüllt, der ihre einstmals so zarte Gestalt gestrafft und sie fremd und unnahbar hatte erscheinen lassen; nicht länger waren ihre Bewegungen beherrscht und wie von einem fremden Willen gesteuert, sondern willkürlich und planlos.
Fast menschlich ...
Granock wusste nicht, was er davon zu halten hatte. Den Zauber zu wirken, hatte ihn seine ganze verbliebene Energie gekostet, der Kuss, jedes wohlwollende Gefühl, zu dem er noch in der Lage gewesen war. Kraft- und nahezu leblos hing er nun in den Fesseln, ein unbeseeltes Stück Fleisch, das kurz davor war, der Ohnmacht anheimzufallen. Die Augen fielen ihm zu - aber etwas hielt Granock davon ab, sich dem Vergessen zu ergeben, gleich wie es ihn lockte. Der letzte Funke freien Willens, der noch in ihm glomm und der sich weigerte zu verlöschen.
»Granock ...?«
Er hörte, wie sie seinen Namen flüsterte, und es klang anders als zuvor. Weicher und mitfühlender, aber auch fragend und verwirrt. Sollte sich etwas geändert, sollte der Zauber etwas bewirkt haben ...?
Schon der Gedanke kam Granock wie ein Wagnis vor. Es wäre eine maßlose Übertreibung gewesen, ihn als wenn auch nur schwache Hoffnung zu bezeichnen, zumal sie schon im nächsten Augenblick im Keim erstickt wurde.
Schritte wurden von außerhalb der Zelle hörbar, und obwohl sie nur wie von fern an Granocks betäubtes Bewusstsein drangen, war ihm klar, dass es Wachen waren, die von Alannahs Schrei alarmiert worden waren. Schon einen Atemzug später bestätigte sich sein Verdacht. Aufgebracht stürmten sie in das Gewölbe, grimmigen Blickes und mit mörderischen Äxten bewaffnet.
Dunkelzwerge.
Jene Wesen, denen sein Zeitzauber nichts anzuhaben vermochte, selbst wenn er dazu noch in der Lage gewesen wäre. Granock merkte, wie nun auch der letzte Rest von Überlebenswillen von ihm wich. Er hatte es versucht, hatte alles gegeben, aber nun waren sowohl seine Kraft als auch seine Möglichkeiten erschöpft, und es blieb ihm nichts, als sich der Vernichtung anheimzugeben.
Seine Hände, die zu Fäusten geballt gewesen waren, entkrampften sich, und er ließ die Arme nach unten baumeln, während er wie aus weiter Ferne die rauen Stimmen von Rothgans Schergen hörte ...
»Herrin, ist alles in Ordnung mit Euch?«
»Seid unbesorgt, es geht mir gut.«
»Seid Ihr sicher? Wir hörten einen Schrei...«
»Seid unbesorgt.«
»Warum habt Ihr uns nicht gesagt, dass Ihr den Gefangenen sehen wollt?«
»Glaubt Ihr denn, ich wäre Euch Rechenschaft schuldig?«
»Nein, Königin. Aber der Gebieter hat uns aufgetragen, Euch keinesfalls allein in den Kerker gehen zu lassen. Wir befolgen nur unsere Befehle.«
»Ich weiß«, hörte Granock Alannah erwidern, und der verebbende Klang ihrer Stimme zeigte ihm an, dass sie wohl das Letzte sein würde, was er auf Erden vernahm.
Stattdessen erklang plötzlich ein knirschendes Geräusch, das ihm entfernt bekannt vorkam, ohne dass er sich tatsächlich daran erinnerte, gefolgt von einem hässlichen Schmatzen und dem Klirren von Eisen. Gleichzeitig fühlte Granock eisige Kälte. Er nahm an, dass es die Gegenwart des Todes war, die ihn frösteln ließ, aber dann stellte er fest, dass es in seiner Zelle still geworden war. Kein Wort war mehr zu vernehmen. Die Zwergenwächter schwiegen, ebenso wie Alannah; nur das eigenartige Knacken war noch da.
Granock wollte die Augen öffnen, aber es gelang ihm nicht. Zu weit hatte ihn der Rachen der Ohnmacht bereits verschlungen, als dass er noch ohne Weiteres herausgefunden hätte. Mit dem letzten Rest freien Willens, der ihm noch verblieben war, zwang er sich dazu. Zögernd blinzelte er - und sah Blut, in dem sich der Fackelschein spiegelte!
Aus seiner verdrehten Perspektive schien es die Decke des Gewölbes zu überziehen, und für einen Augenblick fragte sich sein erschöpfter Geist, weshalb es dort oben haften blieb, statt auf ihn herabzustürzen. Dann erst begriff er, dass es in Wirklichkeit der Boden war, auf dem sich der grellrote Körpersaft gesammelt hatte - und zu seiner Verblüffung stellte er fest, dass es das Blut der Zwergenwächter war.
Alle fünf standen sie vor ihm, in Reglosigkeit erstarrt, so als hätte er einen Bann über sie verhängt. Aber es war kein Zeitzauber, der die Dunkelzwerge hatte verharren lassen. Ihre Gesichter waren bleich, die Blicke leer und gebrochen, die Münder zu stummen Schreien aufgerissen, die Waffen lagen auf dem blutbesudelten
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