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Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer

Titel: Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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erfährt, dass Ihr plötzlich verschwunden seid? Und dass Ihr den Gefangenen befreit und mitgenommen habt?«
    Granock biss sich so fest auf die Lippen, dass sie bluteten. Das war in der Tat die Schwachstelle seines Plans. Er vermochte nicht vorauszusagen, was Yrena unternehmen würde, wenn sie seines Verrats gewahr wurde - denn als nichts anderes würde sie sein Verhalten deuten. Vielleicht würde sie trotzdem versuchen, sich mit Elidor zu verbünden, vielleicht auch die Nähe des Dunkelelfen suchen. Das Bestürzende daran war, dass es Granock nicht wirklich interessierte.
    Vom Augenblick seiner Abreise aus Shakara an war er manipuliert worden - zuerst von Farawyn, der ihm weder gesagt hatte, dass Yrena nach ihm verlangt hatte, noch dass Aldur in Wahrheit sein Sohn war; später dann von der Fürstin selbst, die gehofft hatte, ihre Träume von einer Einigung der Ostlande und einem Königreich der Menschen mit Granocks Hilfe zu verwirklichen. Aber sie beide hatten ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Granock war nicht gewillt, sich wie eine Spielfigur beim gem'y'twara nach Belieben umherschieben zu lassen. Für ihn galt es, sein persönliches Glück gegen das Wohl von Tirgas Lan abzuwägen - und Granock fand, dass die Waagschale in letzter Zeit viel zu sehr nach einer Seite gehangen hatte.
    Wenn Farawyn ihm nicht gestatten wollte, nach den Fernen Gestaden zu reisen, musste er es eben auf eigene Faust tun. Und eine Gelegenheit wie diese bot sich so rasch nicht wieder. Ardghal mochte ein Windhund sein, ein Lügner und Verräter - aber er barg auch die Möglichkeit, Alannah wiederzusehen, und diese Aussicht war für Granock verlockender als alles andere.
    »Nun denn«, meinte Ardghal mit der ihm eigenen Blasiertheit, »wie es aussieht, habe ich wohl nichts zu verlieren. Befreit mich also aus dieser unerfreulichen Stätte, und ich werde sehen, was ich für Euch tun kann.«
    »Ihr werdet mehr als das tun«, mahnte Granock. »Ich will zu den Fernen Gestaden, und Ihr werdet mich dorthin bringen. Tut Ihr es nicht, wird es Euch leidtun, Fürst Ardghal - denn dann wirke ich einen Zauber, der Euch sämtliche Knochen im Leib brechen wird, habt Ihr verstanden?«
    Der Blick, den er durch die Gitterstäbe schickte, war so vernichtend, dass die Novizen in Shakara schreiend Reißaus genommen hätten. Ardghal hielt ihm ohne erkennbare Regung stand. »Natürlich«, sagte er nur.
    Mehr konnte Granock im Augenblick nicht verlangen.
    Er nahm den Schlüssel und öffnete die Gittertür, um sie hinter Ardghal sogleich wieder zu verschließen. Auf diese Weise würden Yrena und ihre Wachen eine Zeit lang zu rätseln haben, wie dem Gefangenen so ohne Weiteres die Flucht gelungen sein konnte. Vor allem, da der ahnungslose Kerkermeister den Schlüssel scheinbar unangetastet an seinem Gürtel wiederfinden würde ...
    Granock packte den hageren Elfen, der ihn an Größe um einen Kopf überragte, an der Schulterpartie seines Gewandes und zerrte ihn unsanft durch die Gänge, hinauf zum Innenhof der Burg. Wann immer sie in die Nähe von Wachen gelangten, wirkte Granock einen Zeitzauber, der es ihnen ermöglichte, ungesehen zu entkommen, hinaus in die Dunkelheit und Kälte einer mondlosen Herbstnacht.
     
    Die Nächte waren endlos.
    Schon am hellen Tage war die Bedrohung, die wie das Richtschwert eines Henkers über Tirgas Dun schwebte, kaum zu ertragen. An jedem Abend jedoch, wenn die Sonne im Westen versank, fragten die Bürger der Stadt sich bang, ob die Unholde diesmal angreifen würden, und die Furcht schlich durch die Gassen wie ein hungriger Wolf auf der Suche nach Beute.
    Kaum jemand in Tirgas Dun fand Schlaf in diesen Nächten. Erschöpft, aber viel zu verängstigt, um Ruhe zu finden, wachten die Bürger bis zum Tagesanbruch und sehnten das Eintreffen der königlichen Truppen herbei. Zwar waren inzwischen rund zweihundert Krieger durch die Kristallpforte gekommen, der Rest aber war noch einige Tagesmärsche von der Stadt entfernt, und es war fraglich, ob er noch rechtzeitig eintreffen würde.
    Dennoch blieb den Bürgern von Tirgas Dun nichts weiter übrig, als auszuharren.
    Nacht für Nacht stellten sie sich ihrer Furcht und starrten hinaus auf die See, wo die Lichter der feindlichen Schiffe wie eine ferne Feuersbrunst zu sehen waren.
    Doch als die Sonne zum fünften Mal heraufzog, hatte sich etwas verändert. Wie bei jedem Tagesanbruch verblassten die Fackeln in der Dämmerung - von den feindlichen Schiffen jedoch war nichts mehr zu sehen.

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